tiscon AG

Amtsgericht Gießen, Aktenzeichen 6 IN 185/09 :
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
tiscon AG, Hausener Weg 29, 60489 Frankfurt / Main (AG Gießen , HRB 6676),
vertreten durch:
Hans Halbach, Transvaal 7, 29379 Wittingen, (Vorstand),
wird die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt auf:

Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Bernd Völpel, Braugasse 7, D 35390 Gießen, Tel.: 0641/93243-0, Fax: 0641/932-4350, E-Mail: b.voelpel@rae-voelpel.de wird gestattet, den restlichen festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen.

G r ü n d e:
Der Insolvenzverwalter hat am 25.10.2022 die Festsetzung einer Verwaltervergütung sowie Auslagen in Höhe von insgesamt EUR (brutto) beantragt. Mit Schreiben vom 17.11.2022 ist eine Zwischenverfügung durch das Gericht ergangen. Daraufhin hat der Insolvenzverwalter am 13.02.2023 eine Stellungnahme abgegeben. Insoweit erfolgt die Festsetzung antragsgemäß.
Da das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2021 beantragt worden ist, sind die bis zum 31.12.2020 geltenden Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung anzuwenden, § 19 Abs. 5 InsVV.
Berechnungsgrundlage, § 1 InsVV:
Nach § 1 InsVV wird die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt.
Demnach sind zunächst die sich aus der Summen- und Saldenliste ergebenden Einnahmen aus dem Zeitraum des eröffneten Verfahrens in Höhe von 1.065.905,45 EUR anzusetzen. Außerdem ist der Stand des Hinterlegungskontos im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens in Höhe von 113.748,73 EUR hinzuzusetzen. Dazu kommen noch die 60.000,00 EUR, die infolge des Insolvenzplans aller Vorsicht nach noch zu Masse fließen werden.
Die festgesetzte Steuer auf die Vergütung und die Auslagen fließt nach der Entnahme der Vergütung wieder zur Masse. Nach dem Beschluss des BGH vom 25.07.2007 (IX ZB 147/06), ZinsO 2007, Seite 1347 ist eine Umsatzsteuererstattung, die die Masse bei Einreichung der Schlussrechnung mit Sicherheit noch zu erwarten hat, bei der Bemessungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn sich dieser Anspruch aus dem Vorsteuerabzug hinsichtlich der festzusetzenden Vergütung ergibt. Allerdings darf nach einem weiteren Beschluss des BGH vom 26.02.2015 (IX ZB 9/13) die Vorsteuer aus der Vergütung lediglich einmal als erhöhend in der Berechnungsgrundlage Berücksichtigung finden. Unter Bezugnahme auf die zuvor zitierte Entscheidung des BGH hat der Insolvenzverwalter die zu erwartende Steuererstattung der Berechnungsgrundlage hinzugesetzt. Dem Antrag muss insoweit stattgegeben werden.
Die der Berechnungsgrundlage hinzuzusetzende Vorsteuer errechnet sich wie folgt:
Die Berechnungsgrundlage ohne die Vorsteuer beträgt insgesamt 1.239.654,18 EUR. Die Regelvergütung daraus würde EUR betragen. 215% der davon festzusetzenden Vergütung würden EUR ergeben. Als Auslagen würden 30% der Regelvergütung (also 30% von EUR) mithin EUR festgesetzt werden. Die Gesamtvergütung und Auslagen würde insgesamt ein Nettobetrag in Höhe von EUR ergeben. Die festzusetzende Umsatzsteuer darauf würde EUR betragen. Die bereits festgesetzten Umsatzsteuern im Beschluss über die Vorschussfestsetzung vom 06.12.2012 in Höhe von EUR sind in Abzug zu bringen, sodass aus der restlichen festzusetzenden Vergütung ein Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von EUR verbleibt. Dieser Betrag ist unter Bezugnahme auf die oben erwähnten BGH-Rechtsprechung der Berechnungsgrundlage hinzuzusetzen.
Der Insolvenzverwalter hat in seinem Antrag zwar die Höhe der zu erwartenden Vorsteuer ordnungsgemäß berechnet. Allerdings hat er sodann angegeben, dass in dem bereits festgesetzten Vorschuss eine Steuer in Höhe von lediglich 7.807,61 EUR festgesetzt worden sei. Er kam damit zu dem Ergebnis, dass noch eine Vorsteuererstattung in Höhe von 16.651,20 EUR der Berechnungsgrundlage hinzuzusetzen sei. Dies ist jedoch nicht korrekt. Der zu erwartende Vorsteuererstattungsanspruch beträgt 13.119,78 EUR (siehe obige Berechnung). Der Insolvenzverwalter wurde in der gerichtlichen Verfügung vom 17.11.2022 auf diesen Umstand hingewiesen. Er erklärte sich daraufhin in seiner Stellungnahme vom 13.02.2023 mit einer entsprechenden Festsetzung einverstanden.
Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus folgenden Einzelwerten zusammen:
1.
Einnahmen laut Schlussrechnung
1.065.905,45 EUR
2.
Stand Hinterlegungskonto Zeitpunkt Eröffnung
113.748,73 EUR
3.
Erwartete Zahlung aus Insolvenzplan
60.000,00 EUR
4.
Erwartete Vorsteuererstattung
13.119,78 EUR
Berechnungsgrundlage gesamt:
1.252.773,96 EUR

Regelsatz, § 2 InsVV:
Aus der nach § 1 InsVV ermittelten Berechnungsgrundlage ergibt sich nach § 2 InsVV eine Regelvergütung in Höhe von EUR.
Zu- und Abschläge, § 3 InsVV:
Die Normalvergütung nach § 2 InsVV deckt die sogenannten “Regelaufgaben” des Insolvenzverwalters ab. Hat der Verwalter in einem Verfahren sogenannte “Sonderaufgaben” durchzuführen, kann ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 3 InsVV entstehen. Zur Definition eines Normalverfahrens siehe Eickmann, Kommentar zur InsVV., § 3, Rn. 12 u.a.
Folgende Zuschläge werden antragsgemäß festgesetzt:
40% für die Sonderproblematik der börsennotierten AG. Für diese Tätigkeiten wurde zwar bereits auch schon ein Zuschlag bei der Vergütung der vorläufigen Verwaltung festgesetzt. Nach Ansicht des Gerichts bestanden die Erschwernisse jedoch auch im eröffneten Verfahren fort, so dass auch insoweit für diesen Bereich ein Zuschlag festzusetzen ist. Aufgrund der Börsennotierung der Schuldnerin ergaben sich besondere rechtliche Problematiken, die in einem üblichen Insolvenzverfahren nicht vorkommen. Der Insolvenzverwalter musste Kontakt mit der BAFIN, den Vorstandsmitgliedern, den Aufsichtsrat und deren Anwälten halten. Außerdem trafen den Insolvenzverwalter weitere Verpflichtungen, wie z.B. die Überwachung der Publikationspflicht nach dem Wertpapierhandelsgesetz und andere Verpflichtungen nach dem Börsengesetz. Dieser erhebliche Mehraufwand rechtfertigt die Festsetzung des beantragten Zuschlags in Höhe von 40%.
75% für die Ausarbeitung des Insolvenzplans. Der Insolvenzverwalter hat einen Insolvenzplan ausgearbeitet. Er hat dabei mit mehreren Beteiligten Verhandlungen geführt. Dieser Prozess hat mehrere Jahre angedauert. Die Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplans kommt in einem durchschnittlichen Insolvenzverfahren nicht vor, so dass zwingend ein Zuschlag für diese Tätigkeit festzusetzen ist. Für die Ausarbeitung von Insolvenzplänen sieht die Literatur Zuschläge im Rahmen von 50-100 % vor, auf Graeber/Graeber, Onlinekommentar zu InsVV, www.insvv-online.de, § 3, Rn. 125 wird beispielhaft Bezug genommen. Aus diesem Grund wird der vom Verwalter geltend gemachte Zuschlag in Höhe von 75% als angemessen angesehen und antragsgemäß festgesetzt.
Mithin wird also insgesamt die Regelvergütung nach § 3 InsVV um 115% (40+75) erhöht.
Auch unter Würdigung des Gesamtfalles erscheint der festgesetzte Zuschlag angemessen aber auch ausreichend zu sein.
Die Regelvergütung zuzüglich einer Erhöhung von 115% ergibt eine Gesamtvergütung in Höhe von EUR
Auslagen, § 8 InsVV:
Die Auslagen sind gesondert festzusetzen. Es wurde die Pauschale nach § 8 Abs. 3 InsVV beantragt, die 15% der Regelvergütung für das erste Jahr sowie jeweils 10% für jedes weitere angefangene Jahr beträgt. Die Auslagenpauschale darf höchstens jedoch 30 % der Regelvergütung betragen.
Das Verfahren hat insgesamt 13 angefangene Jahre angedauert. Es können somit 303% der Regelvergütung als Auslagenpauschale festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um den zuvor geschilderten Maximalbetrag. Die Auslagenpauschale beträgt insgesamt EUR.
Umsatzsteuer, § 7 InsVV:
Nach § 7 InsVV ist auf die Vergütung und die Auslagen die Umsatzsteuer festzusetzen.
Die Berechnung im Einzelnen:

Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, soweit der Beschwerdegegenstand 200 EUR übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann sie mit der befristeten Erinnerung angefochten werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtspfleger getroffen wurde. Beschwerde- bzw. erinnerungsberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die sofortige Beschwerde und die befristete Erinnerung sind innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen oder dem Landgericht Gießen, Ostanlage 15, 35390 Gießen einzulegen. Die befristete Erinnerung ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen einzulegen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bzw. Erinnerungsschrift eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer bzw. Erinnerungsführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde bzw. Erinnerung muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde bzw. Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung soll begründet werden.
Hinweise:
Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden. Die Veröffentlichung erfolgt aufgrund § 64 Abs. 2 InsO und dem Beschluss des BGH vom 14.12.2017 (Az. IX ZB 65/16). Demnach ist der komplette Beschluss einschließlich Angabe der Berechnungsgrundlage öffentlich bekannt zu machen. Lediglich die festgesetzten Beträge dürfen nicht bekannt gemacht werden.
Amtsgericht Gießen, 16.05.2023.