Sotiva Abwicklungsgesellschaft mbH (frühere Bezeichnung: Avitos GmbH)

Amtsgericht Gießen, Aktenzeichen 6 IN 195/09 :
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Sotiva Abwicklungsgesellschaft mbH (frühere Bezeichnung: Avitos GmbH), vertr. d. d. Geschäftsführer, Nikolaus-Otto-Straße 11, 35440 Linden (AG Gießen , HRB 6628),
wird die Vergütung des vorläufigen Verwalters festgesetzt auf:

Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Bernd Völpel, Braugasse 7, D 35390 Gießen, Tel.: 0641/93243-0, Fax: 0641/932-4350, E-Mail: b.voelpel@rae-voelpel.de wird gestattet, den festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen.

G r ü n d e:
Der vorläufige Verwalter hat am 15.09.2022 die Festsetzung einer Vergütung und Auslagen in Höhe von insgesamt EUR (brutto) beantragt. Am 15.11.2022 ist eine gerichtliche Zwischenverfügung ergangen. Daraufhin ist eine Stellungnahme vom 24.11.2022 bei Gericht eingegangen. Insoweit erfolgt die Festsetzung antragsgemäß.
Die vorläufige Verwaltung wurde mit Beschluss vom 07.08.2009 angeordnet und hat bis zum 15.09.2009 angedauert. Dem vorläufigen Verwalter steht daher eine Vergütung zu.
Da das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2021 beantragt worden ist, sind die bis zum 31.12.2020 geltenden Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung anzuwenden, § 19 Abs. 5 InsVV.
Ermittlung der verwalteten Masse, § 63 Abs. 3 InsO, § 11 Abs. 1 InsVV:
Bei der Berechnung der Vergütung wird von einer Masse in Höhe von EUR 864.242,21 ausgegangen.
Die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist in § 63 Abs. 3 InsO und in § 11 InsVV geregelt.
Nach § 63 Abs. 3 S. 2 InsO i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV ist als Berechnungsgrundlage das Vermögen anzunehmen, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters während der vorläufigen Verwaltung erstreckt. Maßgebender Zeitpunkt der Wertermittlung ist nach § 63 Abs. 3 S. 3 InsO regelmäßig der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung.
Nach § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV werden Gegenstände, die mit Aus- oder Absonderungsrechten belastet sind, nur dann dem Vermögen hinzugerechnet, wenn sich der vorläufige Verwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Eine bloß nennenswerte Befassung mit den Drittrechten reicht nicht aus. Dies ergibt sich auch aus dem Beschluss des BGH vom 18.12.2008, ZinsO 2009, Seite 495.
Findet während dem vorläufigen Insolvenzverfahren eine Betriebsfortführung statt, sind bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage in analoger Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2b InsVV die Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen abzuziehen. Es dürfen folglich nur die Betriebsüberschüsse berücksichtigt werden, sh. BGH, Beschluss vom 26.04.2007, ZinsO 2007, Seite 766. Betriebsüberschüsse sind während des vorläufigen Verfahrens keine erwirtschaftet worden.
Bei der Bewertung der verwalteten Masse sind die allgemein gültigen Bewertungsgrundsätze, wie zum Beispiel gemäß §§ 252 HGB anzuwenden.
Liegen im Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung genauere Erkenntnisse hinsichtlich des Verkehrswertes vor, braucht diese Schätzung nicht mehr zu erfolgen, sondern es ist der tatsächliche Verkehrswert anzusetzen. Dies ist auch geschehen im Beschluss des BGH vom 08.07.2004 (Rpfl. 04, Seite 64 f). Im Zeitpunkt der Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Verwalters ist die Verwertung der Masse bereits komplett abgeschlossen. Anstatt der sich aus dem Gutachten zur Eröffnung ergebenden Schätzwerte sind daher die tatsächlichen Verwertungserlöse in Ansatz zu bringen.
Vermögenswerte aus Anfechtungen nach § 130 ff. InsO können nicht angesetzt werden, siehe Beschlüsse des BGH vom 29.04.2004, ZinsO 2004, Seite 672 und vom 18.12.2008, ZinsO 2009, Seite 495.
Die Berechnungsgrundlage wurde entsprechend den obigen Ausführungen ermittelt.
Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus folgenden Einzelwerten zusammen:
1.
Immaterielle Vermögensgegenstände
150.000,00 EUR
2.
Anlagevermögen
75.000,00 EUR
3.
Warenbestand
11.586,87 EUR
4.
vor Eröffnung vereinnahmte Altdebitoren
24.594,92 EUR
5.
Nach Eröffnung vereinnahmte Altdebitoren
100.561,15 EUR
6.
Übernommene Guthaben von Altkonten
270.613,14 EUR
7.
Stand Hinterlegungskonto im Zeitpunkt der Eröffnung
0,00 EUR
8.
Anspruch gegenüber Kreditversicherer
231.886,13 EUR
GESAMT:
864.242,21 EUR
Es wurden die tatsächlich realisierten Einnahmen angesetzt. Die Beträge ergeben sich aus der Summen- und Saldenliste im Zeitpunkt der Beendigung des eröffneten Verfahrens aus den Sachkonten 4125, 4110, 4052, 4000, 4300 und 4221. Hierbei handelt es sich um die Summe der Einnahmen aus beiden Verfahrensabschnitten. Im ursprünglichen Antrag hatte der Verwalter darüber hinaus noch den Stand des Hinterlegungskontos im Zeitpunkt der Eröffnung in Höhe von 139.956,45 EUR in der Berechnungsgrundlage mit aufgenommen. Dieses Guthaben ist jedoch in den übrigen Positionen enthalten, so dass die Ansetzung des Kontenstandes in der Berechnungsgrundlage zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung führen würde. Der Insolvenzverwalter wurde in der gerichtlichen Zwischenverfügung vom 15.11.2022 auf diesen Umstand hingewiesen. Mit Schreiben vom 24.11.2022 erklärte sich der Insolvenzverwalter damit einverstanden, dass der Stand des Hinterlegungskonto nicht in der Berechnungsgrundlage berücksichtigt wird.
Regelsatz nach § 10, 2 InsVV:
Gemäß § 2 InsVV ergibt sich daraus eine Vergütung für den endgültigen Insolvenzverwalter in Höhe von EUR .
Bruchteil, § 11 InsVV:
Der vorläufige Verwalter erhält nach § 63 Abs. 3 S. 2 InsO in der Regel 25 % der Vergütung nach § 2 InsVV.
Erhöhungen / Herabsetzungen des Bruchteils nach § 11 InsVV:
Nach § 11 Abs. 3 InsVV ist Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Verwalters bei der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen. Der Regelsatz von 25 % kann daher im Einzelfall erhöht oder gemindert werden.
Folgende Erhöhungen werden festgesetzt:
40 % wegen der Betriebsfortführung:
Der vorläufige Verwalter hat während der gesamten Dauer der vorläufigen Verwaltung (also für rund 5 Wochen) den Geschäftsbetrieb vollumfänglich fortgeführt. Der Geschäftsbetrieb wurde mit 16 Arbeitnehmern fortgeführt. Der Jahresumsatz der Schuldnerin im Jahr vor der Eröffnung betrug 2,8 Millionen EUR. Es handelt sich hierbei folglich um ein kleines Unternehmen in Sinne von § 267 HGB. Laut der Faustregeltabelle in Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 4. Auflage, § 3, Rn. 78 “Betriebsfortführung” kann für eine kurzfristige Fortführung eines kleinen Unternehmens ein Zuschlag von bis zu 25% gewährt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich im vorliegenden Fall – losgelöst von den bloßen Kennzahlen – bei einem bundesweit tätigen Versandhandel nicht um einen kleinen Geschäftsbetrieb handelt. Es können folglich durchaus Erhöhungen festgesetzt werden, die für die Fortführung eines mittleren Unternehmens gerechtfertigt sind.
Im vorliegenden Fall war die Betriebsfortführung besonders aufwändig: Jeder einzelne Überweisungsauftrag wurde von der Insolvenzverwaltung überwacht. Mit den Lieferanten und Geschäftspartnern waren Gespräche zu führen, um diese von einer weiteren Zusammenarbeit zu überzeugen. Ferner wurden mit Preissuchmaschinen aus dem Internet Verhandlungen geführt. Es musste darüber hinaus sichergestellt werden, dass Kunden weiterhin mittels Kreditkarte oder P-Pay zahlen konnten. Dies alles war nötig, damit der Geschäftsbetrieb aus Sicht der Kunden trotz Insolvenz reibungslos weiterhin funktionierte. Denn andernfalls wäre bundesweit ein großer Imageschaden entstanden und die nach Eröffnung erfolgte übertragende Sanierung des Geschäftsbetriebes wäre vermutlich nicht mehr möglich gewesen. Hinsichtlich weiterer vorliegender Erschwernisse wird auf die Ausführungen im Vergütungsantrag Bezug genommen.
Aufgrund der vorhergehenden Ausführungen wird die vom vorläufigen Verwalter geltend gemachte Erhöhung von 40% antragsgemäß festgesetzt.
Auch unter Würdigung des Gesamtfalls erscheint die festgesetzte Erhöhung von 40% angemessen zu sein.
Insgesamt ist somit der Regelvergütungssatz für eine vorläufige Verwaltung von 25% zuzüglich einer Erhöhung von 40% festzusetzen. Dem vorläufigen Verwalter stehen somit 65% der Regelvergütung eines endgültigen Insolvenzverwalters zu.
65% aus EUR ergeben EUR.
Auslagen, §§ 10, 8 InsVV
Die Auslagen sind gesondert festzusetzen. Es wurde die Pauschale nach § 8 Abs. 3 InsVV beantragt, die 15% der Regelvergütung, höchstens jedoch 250,00 EUR je begonnenen Monat beträgt. Die Pauschale wurde auf den Maximalbetrag von EUR für 2 angefangene Monate festgesetzt.
Umsatzsteuer, §§ 10, 7 InsVV:
Nach § 7 InsVV sind auf die Vergütung und die Auslagen die Umsatzsteuer festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, soweit der Beschwerdegegenstand 200 EUR übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann sie mit der befristeten Erinnerung angefochten werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtspfleger getroffen wurde. Beschwerde- bzw. erinnerungsberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die sofortige Beschwerde und die befristete Erinnerung sind innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen oder dem Landgericht Gießen, Ostanlage 15, 35390 Gießen einzulegen. Die befristete Erinnerung ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen einzulegen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bzw. Erinnerungsschrift eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer bzw. Erinnerungsführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde bzw. Erinnerung muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde bzw. Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung soll begründet werden.
Hinweise:
Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden. Die Veröffentlichung erfolgt aufgrund § 64 Abs. 2 InsO und dem Beschluss des BGH vom 14.12.2017 (Az. IX ZB 65/16). Demnach ist der komplette Beschluss einschließlich Angabe der Berechnungsgrundlage öffentlich bekannt zu machen. Lediglich die festgesetzten Beträge dürfen nicht bekannt gemacht werden.
Amtsgericht Gießen, 02.12.2022.