S. Hedrich GmbH & Co.KG Transport und Logistik

Amtsgericht Gießen, Aktenzeichen 6 IN 86/09 :
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
S. Hedrich GmbH & Co.KG Transport und Logistik, Lützelwiesen 9, 35428 Langgöns (AG Gießen , HRA 2527),
vertreten durch:
1. Stefan Hedrich Verwaltungs GmbH, Sonnenstraße 20, 35584 Wetzlar, (persönlich haftende Gesellschafterin),
vertreten durch:
1.1. Martin Bonn, Frankfurter Straße 2, 35625 Hüttenberg-Rechtenbach, (Geschäftsführer),
1.2. Stefan Hedrich, Berliner Straße 13, 35410 Hungen, (Geschäftsführer),
wird die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt auf:

Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. Hans-Jörg Laudenbach, Lahnstraße 1, 35398 Gießen, Tel.: 0641/9829218, Fax: 0641/9829216, E-Mail: giessen@mtjz.de wird gestattet, den festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen.
G r ü n d e:
Der Insolvenzverwalter hat am 21.06.2023 die Festsetzung einer Verwaltervergütung sowie Auslagen in Höhe von insgesamt EUR (brutto) beantragt. Mit Schreiben vom 10.07.2023 ist eine Zwischenverfügung durch das Gericht ergangen. Daraufhin hat der Insolvenzverwalter am 09.08.2023 eine Stellungnahme abgegeben. In dieser Stellungahme wurde ein Anspruch in Höhe von EUR beantragt. Der geringere Betrag resultiert jedoch aus einem Additionsfehler in diesem Antrag. Der Insolvenzverwalter wurde auf diesen Umstand im gerichtlichen Schreiben vom 16.10.2023 hingewiesen. Gleichzeitig wurde der Insolvenzverwalter darauf hingewiesen, dass seitens des Gerichts eine Festsetzung der Vergütung und Auslagen in Höhe von insgesamt EUR geplant ist. Der Insolvenzverwalter erklärte sich in seiner Stellungnahme vom 17.10.2023 mit dieser Festsetzung einverstanden. Insoweit erfolgt die Festsetzung antragsgemäß.
Da das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2021 beantragt worden ist, sind die bis zum 31.12.2020 geltenden Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung anzuwenden, § 19 Abs. 5 InsVV.
Berechnungsgrundlage, § 1 InsVV:
Nach § 1 InsVV wird die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt.
Bei einer Betriebsfortführung darf jedoch nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 b) InsVV nur der erwirtschaftete Überschuss berücksichtigt werden. Die Betriebsausgaben müssen also von den Einnahmen abgezogen werden.
Bei einer Häuserverwaltung bzw. einer sogenannten “kalten Zwangsverwaltung” dürfen ebenfalls nur die daraus erzielten Überschüsse angesetzt werden. Auf den Beschluss des BGH vom 14.07.2016, IX ZB 31/14 wird insoweit Bezug genommen.
Absonderungsrechte werden bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geschilderten Regelungen nicht berücksichtigt.
Die Berechnungsgrundlage wurde unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ermittelt.
Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus folgenden Einzelwerten zusammen:
1.
Übernommenes Guthaben aus dem vorläufigen Verfahren
169.464,32 EUR
2.
Forderungseinzug aus Zeit vor Antragstellung
380,80 EUR
3.
Forderungseinzug aus vorläufigen Verfahren
209.583,03 EUR
4.
Verwertung Vermögen
51.718,73 EUR
5.
Feststellungskostenbeitrag § 171 InsO
23.488,93 EUR
6.
Verwertungskostenbeitrag § 171 InsO
11.344,53 EUR
7.
Verwertung Immobilien
245.000,00 EUR
8.
Kostenbeitrag aus Immobilienverwertung
0,00 EUR
9.
Zinsen und ähnliche Erträge
23.338,52 EUR
10.
Versicherungsentschädigungen
4.393,80 EUR
11.
übernommenes Bankguthaben
420.968,48 EUR
12.
Erlöse aus Anfechtung
34.521,11 EUR
13.
Steuererstattungen
148.115,56 EUR
14.
Sonstige Erstattungen
9.932,06 EUR
15.
Ansprüche aus Gesellschafterhaftung
5.930,12 EUR
16.
Überschüsse aus Häuserverwaltung / kalter Zwangs- verwaltung
56.291,51 EUR
17.
Erlöse “Hotel am Markte”
0,00 EUR
18.
erstattete Mautgebühren
8.000,00 EUR
19.
erstattete Telefongebühren
2,67 EUR
20.
abzgl. ausgezahlte Aus- und Absonderungsrechte
-290.741,78 EUR
Berechnungsgrundlage gesamt:
1.131.732,39 EUR
Erläuterungen:
Zu 1: Hierbei handelt es sich um den Endbestand aus dem vorläufigen Verfahren, der in das eröffnete Verfahren mit übernommen worden ist.
Zu 2-7, 9-15: Diese Positionen ergeben sich aus den Einnahmebuchungen gemäß Summen- und Saldenliste, die der Insolvenzverwalter mit der Schlussrechnung eingereicht hat (Sachknoten E100).
Zu 20: Wie bereits erwähnt dürfen Absonderungsrechte bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geschilderten Regelungen nicht berücksichtigt werden. Die ausgezahlten Absonderungsrechte sind daher von der Berechnungsgrundlage in Abzug zu bringen.
Zu 8:
Der Insolvenzverwalter hatte in seinem ursprünglichen Antrag die aus der Summen- und Saldenliste ersichtlichen Feststellungs- und Verwertungskostenbeiträge in Höhe von insgesamt 21.341,91 EUR der Berechnungsgrundlage hinzugesetzt. Darüber hinaus hat er die Zusatzvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV an anderer Stelle geltend gemacht. Wenn jedoch die Zusatzvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geltend gemacht wird, dürfen die Feststellungskostenpauschalen nicht in die Berechnungsgrundlage aufgenommen werden. Insoweit wird auf Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), 6. Auflage 2019, § 1 Rn. 55 und den dort erwähnten Beschlüssen des BGH vom 10.10.2013, IX ZB 169/11 (ZinsO 2013, Seite 2288) und vom 23.10.2008, IX ZB 157/05 verwiesen. Es besteht ein Wahlrecht: Entweder können die Feststellungskostenpauschalen in die Berechnungsgrundlage aufgenommen werden oder es kann die Zusatzvergütung geltend gemacht werden. Aus diesem Grund kann diese Position nicht in die Berechnungsgrundlage aufgenommen werden. Der Insolvenzverwalter wurde auf diesen Umstand in der gerichtlichen Zwischenverfügung vom 07.10.2023 hingewiesen. In seinem berichtigen Vergütungsantrag vom 09.08.2023 wurde daher diese Position nicht mehr aufgenommen.
Zu 16: Im ursprünglichen Antrag hatte der Insolvenzverwalter an dieser Position die aus der Summen- und Saldenliste ersichtlichen Mieteinnahmen in Höhe von 65.006,40 EUR angesetzt. Im vorliegenden Fall wurde faktisch eine “kalte Zwangsverwaltung” betrieben. Wie bereits erwähnt dürfen in einem solchen Fall lediglich die daraus resultierenden Überschüsse in der Berechnungsgrundlage berücksichtigt werden. Die in diesem Zusammenhang getätigten Ausgaben sind folglich von den (Miet)einnahmen in Abzug zu bringen. In der gerichtlichen Zwischenverfügung wurde der Insolvenzverwalter auf diesen Umstand hingewiesen. Da eine entsprechende getrennte Buchhaltung der Erlöse und Aufwendungen aus der Häuserverwaltung aus der Summen- und Saldenliste nicht ersichtlich ist, konnte vom Gericht lediglich gemutmaßt werden, dass es sich bei den unter Sachkonto 2350 “Grundstücksaufwendungen” gebuchten Ausgaben in Höhe von 25.862,10 EUR um die Ausgaben im Zusammenhang mit der Häuserverwaltung handelt. Der Insolvenzverwalter teilte in seiner Stellungnahme vom 09.08.2023 mit, dass diese Mutmaßung nicht zutreffend ist. Vielmehr betreffen nur ein Teil der aus Sachkonto 2350 ersichtlichen Ausgabebuchungen die kalte Zwangsverwaltung. Es handelt sich hierbei um die Positionen, die bis zum 05.10.2010 verbucht worden sind, mithin insgesamt 8.714,89 EUR. Auf die Ausführungen des Verwalters in seiner Stellungnahme vom 09.08.2023 und insbesondere auf die handschriftlich durchgeführte Berechnung auf Anl. 9 des Vergütungsantrags (siehe Bl. 795 der Akte) wird Bezug genommen. Von den Einnahmen in Höhe von 65.006,40 EUR sind also Ausgaben in Höhe von 8.714,89 EUR in Abzug zu bringen. Der in die Berechnungsgrundlage aufzunehmende Überschuss aus der kalten Zwangsverwaltung beträgt somit 56.291,51 EUR.
Zu 17: Die im ursprünglichen Antrag angesetzten Einnahmen aus den Erlösen von dem Hotelbetrieb in Höhe von 21.663,23 EUR können nicht angesetzt werden. Denn hierbei handelt es sich um Einnahmen aus einer Betriebsfortführung. Wie bereits erwähnt können bei einer Betriebsfortführung jedoch nur die Überschüsse angesetzt werden. Da im vorliegenden Fall die Betriebsausgaben aus der Fortführung des Hotelbetriebs 32.081,780 EUR (siehe Sachkonto 4980 in der Summen- und Saldenliste) betragen und damit die Einnahmen übersteigen, sind keine Betriebsüberschüsse entstanden. Aus diesem Grund können insoweit in der Berechnungsgrundlage keine Positionen angesetzt werden. Der Insolvenzverwalter wurde auf diesen Umstand in der gerichtlichen Zwischenverfügung vom 07.10.2023 hingewiesen. In seinem berichtigen Vergütungsantrag vom 09.08.2023 wurde daher diese Position ebenfalls nicht mehr aufgenommen.
Zu 18, 19: Hierbei handelt es sich um nach Eröffnung des Verfahrens eingegangene Erstattungen von zuvor getätigten Ausgaben. Diese Positionen sind daher aus den Überschüssen gemäß den aus der Summen- und Saldenliste ergebenden Ausgabebuchungen Sachkonto 4560 und Sachkonto 4920 ersichtlich.
Die Festsetzung der Berechnungsgrundlage erfolgt gemäß dem berichtigten Vergütungsantrag vom 09.08.2023.
Regelsatz, § 2 InsVV:
Aus der nach § 1 InsVV ermittelten Berechnungsgrundlage ergibt sich nach § 2 InsVV eine Regelvergütung in Höhe von EUR.
Zusatzvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV:
Da der Insolvenzverwalter Absonderungsrechte selbst verwertet hat, ist der Wert dieser Absonderungsrechte in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf die Absonderungsrechte entfällt, darf jedoch nicht mehr als die Hälfte der zur Masse geflossenen Feststellungskostenpauschale betragen. Insoweit muss eine Vergleichsberechnung angestellt werden:
Wert der Insolvenzmasse mit Absonderungsrechten (laut Antrag des Insolvenzverwalters)
1.355.390,48 EUR
Regelsatz, § 2 InsVV daraus
54.857,81 EUR
Der Mehrbetrag der vom Insolvenzverwalter im Antrag angesetzten (Regel)vergütung würde also EUR betragen.
Der Insolvenzverwalter wie bereits erwähnt aus der Verwertung der mit Drittrechten belasteten Grundstücke Kostenbeiträge in Höhe von 21.341,91 EUR zur Masse ziehen. Davon ist die Hälfte als Feststellungskosten anzusehen. Somit konnte EUR als Feststellungskosten zur Masse ziehen. 50 % davon ergeben EUR. Dieser Betrag stellt die nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV zu ermittelnde Obergrenze dar. Diese Obergrenze wird im vorliegenden Fall nicht erreicht, sodass der zuvor ermittelte Betrag als Zusatzvergütung anzusetzen ist. Der Insolvenzverwalter erhält somit eine Zusatzvergütung in Höhe von EUR.
Die Gesamtvergütung wird antragsgemäß auf EUR festgesetzt.
Zu- und Abschläge, § 3 InsVV:
Die Normalvergütung nach § 2 InsVV deckt die sogenannten “Regelaufgaben” des Insolvenzverwalters ab. Hat der Verwalter in einem Verfahren sogenannte “Sonderaufgaben” durchzuführen, kann ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 3 InsVV entstehen. Zur Definition eines Normalverfahrens siehe Eickmann, Kommentar zur InsVV., § 3, Rn. 12 u.a.
Folgende Zuschläge werden festgesetzt:
10% wegen der Betriebsfortführung.
Der Insolvenzverwalter hat das “Hotel am Markt” im Zeitraum vom 01.06.2009 bis zum 31.12.2009, also für rund 7 Monate fortgeführt. Dort war ein Mitarbeiter vorhanden. Bei dieser Betriebsfortführung handelt es sich folglich um einen sehr kleinen Geschäftsbetrieb. Trotzdem waren besondere Schwierigkeiten und eine erhebliche Mehrbelastung gegeben. Auf die Ausführung des Insolvenzverwalters im Vergütungsantrag wird insoweit Bezug genommen. Nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV ist zwingend ein Zuschlag festzusetzen, wenn der Verwalter ein Unternehmen fortgeführt hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Im vorliegenden Fall sind – wie bereits bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage geschildert – keine Überschüsse angefallen. Der beantragte geringe Zuschlag in Höhe von 10% wird daher antragsgemäß festgesetzt.
20% wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten:
Nach § 3 Abs. 1 a) InsVV ist ein Zuschlag festzusetzen, wenn die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV angefallen ist. Im vorliegenden Fall ist zwar ein Mehrbetrag angefallen. Dieser beträgt jedoch lediglich rund 4.470,- EUR. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht zu berücksichtigen, dass ein Mehrbetrag durch das Festsetzen der Zusatzvergütung angefallen ist, da diese Zusatzvergütung ausschließlich aus der Verwertung der Grundstücke resultiert. Der Zuschlag wegen der Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte wurde jedoch ausschließlich für die Tätigkeiten im Bereich der Verwertung des Sachanlagevermögens geltend gemacht. Die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte nahm den Insolvenzverwalter jedoch in ganz erheblicher Weise in Anspruch. Denn bei der Verwertung des Sachanlagevermögens musste der Insolvenzverwalter die in allen Bereichen bestehenden Drittrechte entsprechend beachten. Es waren allein 147 Fahrzeuge vorhanden, die mit entsprechenden Drittrechten belastet waren. Insoweit waren 26 verschiedene Sicherungsgläubiger vorhanden. Mit jedem einzelnen dieser Gläubiger musste der Insolvenzverwalter Verhandlungen führen und Absprachen treffen. Dies alles führte zu einer erheblichen Mehrbelastung des Insolvenzverwalters, die durch das Festsetzen eines Zuschlags zu vergüten ist. Der Verwalter hat für diesen Bereich einen Zuschlag in Höhe von 20% beantragt. Aufgrund der zuvor geschilderten erheblichen Mehrarbeit wird dieser Zuschlag antragsgemäß festgesetzt.
EUR wegen der Immobilienverwaltung / kalten Zwangsverwaltung (Dies einspricht einer prozentualen Zuschlagshöhe in Höhe von rund 9,798%):
Maßgeblich für die vergütungsrechtliche Behandlung einer kalten Zwangsverwaltung ist der Beschluss des BGH vom 14.07.2016 (Az. IX ZB 31/14). Demnach ist grundsätzlich das Festsetzen eines Zuschlags möglich, weil es sich hierbei um eine zulässige Tätigkeit des Insolvenzverwalters handelt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht in jedem Fall ein Zuschlag festzusetzen ist, sondern nur dann, wenn tatsächlich eine erhebliche Mehrbelastung des Verwalters vorgelegen hat. Außerdem dürfen in der Berechnungsgrundlage lediglich die Überschüsse aus der kalten Zwangsverwaltung berücksichtigt werden. Dies ist – wie bereits weiter oben geschildert – im vorliegenden Fall geschehen. Dem Beschluss des BGH ist weiter zu entnehmen, dass ein Zuschlag nur festgesetzt werden darf, wenn sich die Berechnungsgrundlage nicht bereits erhöht hat. Allerdings ist zu prüfen, ob die Mehrvergütung, die aufgrund der um die Überschüsse aus der kalten Zwangsverwaltung erhöhten Berechnungsgrundlage entstanden ist, die Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausreichend vergütet. Ist dies nicht der Fall, ist ein die Differenz ausgleichender Zuschlag festzusetzen, sh. BGH vom 14.07.2016, a.a.O., Rn. 38. Im vorliegen Fall ist nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich ein Zuschlag festzusetzen. Denn zum einen ergibt sich dies aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV. Zum anderen ist durch die Häuserverwaltung ein entsprechender Mehraufwand angefallen.
Der Insolvenzverwalter hat in seinem ursprünglichen Antrag nicht einen prozentualen Zuschlag, sondern die Festsetzung eines Zuschlags in Höhe von 6.500,64 EUR beantragt. Grundsätzlich ist dies zulässig. Die Zuschlagshöhe hat der Insolvenzverwalter, anlehnend an die fiktive Vergütung eines Zwangsverwalters in Höhe von 10% der Mieteinnahmen (65.006,40 EUR) geltend gemacht. Diese Zuschlagshöhe wird grundsätzlich als gerechtfertigt angesehen. Auf Graeber/Graeber, Onlinekommentar zu InsVV, www.insvv-online.de, § 3, Rn. 104 wird insoweit Bezug genommen. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu bedenken, dass sich bereits die Regelvergütung aufgrund der erzielten Überschüsse aus der Zwangsverwaltung erhöht hat. Daher muss – wie bereits geschildert – “ein die Differenz ausgleichender Zuschlag” festgesetzt werden. Der Insolvenzverwalter wurde in der gerichtlichen Zwischenverfügung auf diesen Umstand hingewiesen. In seinem berichtigten Antrag hat er dann anstatt des von ihm ursprünglich ermittelten Betrages von 6.500,64 EUR “unter Berücksichtigung der Ausführung des Insolvenzgerichts” den Zuschlag auf 5.629,15 EUR gemindert. In seiner Stellungnahme vom 09.08.2023, Seite 3 teilte der Insolvenzverwalter daraufhin mit, dass er von den Überschüssen (56.291,55 EUR) einen Betrag in Höhe von 10% geltend macht. Weitere Abzüge seien nicht angemessen und nicht akzeptabel, da dann die Vergütung niedriger wäre als die eines Zwangsverwalters. Die Ausführungen sind nach Ansicht des Gerichts nicht zutreffend. Denn der Insolvenzverwalter verkennt hierbei, dass sich seine Regelvergütung bereits aufgrund der erhöhten Berechnungsgrundlage erhöht hat. Durch den Zuschlag ist nur noch eine Differenz auszugleichen.
Aus diesem Grund wird der festzusetzende Zuschlag durch das Gericht wie folgt ermittelt: Es muss folgende Vergleichsberechnung vorgenommen werden: Zunächst muss die Regelvergütung aus der Berechnungsgrundlage ohne Überschüsse aus der kalten Zwangsverwaltung von der Regelvergütung aus der Berechnungsgrundlage mit Überschüsse aus der kalten Zwangsverwaltung abgezogen werden. Auf diese Weise erhält man den Mehrbetrag, die der Verwalter aufgrund der erhöhten Berechnungsgrundlage erhält. Dieser Betrag ist dann von dem tatsächlich geltend gemachten Zuschlag in Abzug zu bringen. Die Regelvergütung aus der Berechnungsgrundlage einschließlich Überschüssen (1.131.732,39 EUR) beläuft sich auf EUR. Die Berechnungsgrundlage ohne Überschüsse aus der kalten Zwangsverwaltung beläuft sich auf EUR. Die Regelvergütung daraus würde EUR betragen. Der Mehrbetrag der Vergütung, die der Verwalter aufgrund der erhöhten Berechnungsgrundlage erhält, beträgt somit EUR. Dieser Betrag ist von dem weiter oben errechneten Zuschlag in Höhe von EUR in Abzug zu bringen. Der Zuschlag wird daher auf EUR festgesetzt. Dies entspricht einem Zuschlag von 9,798% auf die Regelvergütung. Der Antrag auf Festsetzung eines höheren Zuschlags wird aus den vorgenannten Gründen zurückgewiesen.
20% wegen der Tätigkeiten im Arbeitnehmerbereich:
Nach § 3 Abs. 1 d.) InsVV ist ein Zuschlag festzusetzen, wenn arbeitsrechtliche Fragen in Bezug auf Insolvenzgeld, Kündigungsschutz oder einem Sozialplan den Verwalter in erheblichen Anspruch genommen haben. Im vorliegenden Fall waren schwierige arbeitsrechtliche Problematik zu klären. Der Insolvenzverwalter führte in seinem Antrag aus, dass für alle 63 Mitarbeiter Insolvenzgeldbescheinigungen erstellt werden mussten, dass im steuerlichen Bereich unter Beteiligung verschiedener Krankenkassen umfangreiche Tätigkeiten zu vollziehen waren. Arbeitsbescheinigungen mussten erstellt werden. Wegen der Kündigung von Schwerbehinderten mussten Zustimmungen bei dem Landeswohlfahrtsverband eingeholt werden. Außerdem erfolgte umfangreiche Korrespondenz mit mehreren Arbeitsagenturen. Letztlich fanden auch noch Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung statt und es wurden Aufhebungsvereinbarungen mit den bei der Schuldnerin beschäftigten Gesellschaftern abgeschlossen. Für diesen Komplex machte der Insolvenzverwalter in seinem ursprünglichen Antrag ein Zuschlag von 30% geltend. In der gerichtlichen Zwischenverfügung vom 10.07.2023 wurde dem Verwalter mitgeteilt, dass ein Zuschlag von 20% als angemessen ausreichend angesehen wird. Denn zum einen sind die beschriebenen Tätigkeiten teilweise bereits während des vorläufigen Verfahrens geschehen und zum anderen sind zur Erledigung dieser Tätigkeiten teilweise Hilfskräfte beauftragt und aus der Masse bezahlt worden. Der Insolvenzverwalter machte in seinem berichtigten Antrag daher nur noch einen Zuschlag in Höhe von 20% geltend, der antragsgemäß festgesetzt wird.
20% wegen besonderer Probleme bei der Buchhaltung und bei der Klärung steuerlicher Tatbestände.
Der Insolvenzverwalter wurde mit umfangreichen steuerlichen Verpflichtungen konfrontiert. Grundsätzlich gehört die steuerliche Abwicklung eines Verfahrens zwar zu den Regeltätigkeiten eines Insolvenzverwalters, wobei für bestimmte Aufgaben jedoch Hilfskräfte (Steuerberater, Buchhalter) beauftragt und aus der Masse bezahlt werden dürfen. Im vorliegen Fall lagen jedoch neben den üblichen in einem Insolvenzverfahren vorkommenden Steuerproblematiken weitere besondere Sachverhalte vor. So mussten beispielsweise Kraftfahrzeugsteuerbescheide für 60 Fahrzeuge überprüft werden, was dazu führte, dass in vielen Fällen Rechtsmittel eingelegt werden mussten. Besonders problematisch war auch die Trennung der Geschäftsvorfälle hinsichtlich der konzernrechtlichen Verpflichtungen. Außerdem führte die Schuldnerin Leistungen im Ausland aus, was zu besonderen steuerlichen Problematiken führte. Der Insolvenzverwalter machte in seinem ursprünglichen Antrag für diese Tätigkeiten einen Zuschlag von 30% geltend. In der gerichtlichen Zwischenverfügung wurde der Verwalter darauf hingewiesen, dass nach Ansicht des Gerichts ein Zuschlag in diesem Bereich nicht festgesetzt werden kann. Die Arbeiten sind zwar angefallen, allerdings wurden für Buchführungsarbeiten Dienstleister beauftragt und aus der Masse bezahlt. Laut Schlussrechnung sind in diesem Bereich Zahlungen in Höhe von 66.924,30 EUR geflossen. Da diese Sonderaufgaben fremd vergeben worden sind, konnte nach der ursprünglichen Ansicht des Gerichts insoweit nicht noch ein Zuschlag festgesetzt werden. Der Insolvenzverwalter führte daraufhin in seiner Stellungnahme vom 09.08.2023 aus, dass die vom Gericht erwähnten Zahlungen aus der Masse keinen Bezug zu den hier beschriebenen Erschwernissen hatte. Die Massezahlung sind ausschließlich im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabschlüssen erfolgt. Gleichzeitig reduzierte der Insolvenzverwalter die Zuschlagshöhe von 30 auf 20%. Die Ausführungen des Insolvenzverwalters überzeugen. Aus diesem Grund wird der vom Verwalter geltende gemachte Zuschlag in Höhe von 20% antragsgemäß festgesetzt.
Folgender Abschlag wird festgesetzt:
10% wegen der vorläufigen Verwaltung:
Da im vorliegenden Fall ein vorläufiger Verwalter tätig war und insoweit teilweise umfangreiche Vorarbeiten geleistet hatte, die die Tätigkeit des endgültigen Verwalters erleichtert haben, wird antragsgemäß ein Abschlag in Höhe von 10% festgesetzt.
Mithin wird also insgesamt die Regelvergütung nach § 3 InsVV um 69,798% (10+20+9,798+20+20-10) erhöht.
Nach einem Beschluss des BGH vom 11.05.2006, ZinsO 2006, Seite 642 ff. können – wie geschehen – für einzelne Tätigkeiten gesonderte (einzelne) Zuschläge festgesetzt werden. Allerdings ist für den Gesamtzuschlag eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung des Falles mit nachvollziehbarer Begründung erforderlich. Es ist also nicht möglich, Zuschläge für einzelne Tätigkeiten (ggf. unter Bezugnahme auf irgendwelche Faustregeltabellen) zu summieren, ohne darauf zu achten, welcher Gesamtzuschlag bzw. welche Gesamtvergütung dadurch im Endeffekt festgesetzt wird. Auch unter der Würdigung des Gesamtfalles erscheint das Festsetzen eines Zuschlags in Höhe von insgesamt 69,798% ausreichend zu sein.
Die Regelvergütung zuzüglich einer Erhöhung von 69,798% ergibt eine Gesamtvergütung in Höhe von EUR
Auslagen, § 8 InsVV:
Die Auslagen sind gesondert festzusetzen. Es wurde die Pauschale nach § 8 Abs. 3 InsVV beantragt, die 15% der Regelvergütung für das erste Jahr sowie jeweils 10% für jedes weitere angefangene Jahr beträgt. Die Auslagenpauschale darf höchstens jedoch 30 % der Regelvergütung betragen.
Das Verfahren hat insgesamt 3 angefangene Jahre angedauert. Es können somit 30% der Regelvergütung als Auslagenpauschale festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um den zuvor geschilderten Maximalbetrag. Die Auslagenpauschale beträgt insgesamt EUR.
Neben der Auslagenpauschale wurde zusätzlich die Festsetzung der Kosten für den Sach- und Personalaufwand beantragt, die dem Insolvenzverwalter aufgrund der vom Gericht angeordneten Übertragung des Zustellungswesens entstanden sind. Laut dem Beschluss des BGH vom 21.03.2013 (IX ZB 209/10) ist dem Insolvenzverwalter der zusätzliche Sach- und Personalaufwand, der infolge der Übertragung des Zustellungswesens entstanden ist, zu ersetzen. Dabei ist ein angemessener Betrag pro erfolgte Zustellung als Zuschlag festzusetzen. Dieser tatsächliche Aufwand kann geschätzt werden. Der BGH führt in Rn. 22 unter Bezugnahme auf den weiteren Beschluss des BGH vom 19.01.2012 (IX ZB 25/11) und unter Bezugnahme auf Dr. Graeber in der ZInsO 2007, 204 f. aus, dass der Sach- und Personalaufwand 2,80 EUR pro Zustellung betragen kann. Der Insolvenzverwalter hat 2,80 EUR pro Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an 126 Gläubiger geltend gemacht. Dem Antrag ist aufgrund der zuvor zitierten Rechtsprechung des BGH stattzugeben. Es werden daher zusätzlich EUR aufgrund der Übertragung des Zustellungswesens festgesetzt.
Umsatzsteuer, § 7 InsVV:
Nach § 7 InsVV ist auf die Vergütung und die Auslagen die Umsatzsteuer festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, soweit der Beschwerdegegenstand 200 EUR übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann sie mit der befristeten Erinnerung angefochten werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtspfleger getroffen wurde. Beschwerde- bzw. erinnerungsberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die sofortige Beschwerde und die befristete Erinnerung sind innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen oder dem Landgericht Gießen, Ostanlage 15, 35390 Gießen einzulegen. Die befristete Erinnerung ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen einzulegen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bzw. Erinnerungsschrift eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer bzw. Erinnerungsführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde bzw. Erinnerung muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde bzw. Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung soll begründet werden.
Hinweise:
Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden. Die Veröffentlichung erfolgt aufgrund § 64 Abs. 2 InsO und dem Beschluss des BGH vom 14.12.2017 (Az. IX ZB 65/16). Demnach ist der komplette Beschluss einschließlich Angabe der Berechnungsgrundlage öffentlich bekannt zu machen. Lediglich die festgesetzten Beträge dürfen nicht bekannt gemacht werden.
Amtsgericht Gießen, 16.11.2023.