HolzLand Möller GmbH & Co. KG

Amtsgericht Gießen, Aktenzeichen 6 IN 145/13 :
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
HolzLand Möller GmbH & Co. KG, Edekastraße 3, 35418 Buseck (AG Gießen , HRA 331),
vertreten durch:
1. MCW Verwaltungs GmbH, Edekastraße 3, 35418 Buseck, (persönlich haftende Gesellschafterin),
vertreten durch:
1.1. Tim Schepler, Süderstraße 60, 24955 Harrislee, (Geschäftsführer),
wird die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt auf:

Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. Hans-Jörg Laudenbach, Lahnstraße 1, 35398 Gießen, Tel.: 0641/9829218, Fax: 0641/9829216, E-Mail: giessen@mtjz.de wird gestattet, den festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen.
Der Beschluss ergeht gemäß dem berichtigten Antrag vom 02.12.2022.
G r ü n d e:
Da das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2021 beantragt worden ist, sind die bis zum 31.12.2020 geltenden Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung anzuwenden, § 19 Abs. 5 InsVV.
Berechnungsgrundlage, § 1 InsVV:
Nach § 1 InsVV wird die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt.
Bei einer Betriebsfortführung darf jedoch nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 b) InsVV nur der erwirtschaftete Überschuss berücksichtigt werden. Die Betriebsausgaben müssen also von den Einnahmen abgezogen werden. Im eröffneten Verfahren hat zwar keine Betriebsfortführung stattgefunden. Allerdings hat der Insolvenzverwalter nach Eröffnung noch Zahlungen geleistet, die aus der während des vorläufigen Verfahrens erfolgten Betriebsfortführung resultieren. Auch diese Betriebsausgaben (gebucht unter Sachkonto 3480) sind von der Berechnungsgrundlage in Abzug zu bringen.
Absonderungsrechte werden bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geschilderten Regelungen nicht berücksichtigt. Dieser Vorschrift wird Rechnung getragen, da der Insolvenzverwalter in seinem Antrag nach Abzug der geleisteten Absonderungszahlungen lediglich die einbehaltenen Feststellungs- und Verwertungskosten angesetzt hat, so auch Haarmeyer, Wutzke, Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 4. Auflage, § 1 Rn. 58.
Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus folgenden Einzelwerten zusammen:
1.
übernommenes Guthaben aus vorläufigen Verfahren
276.644,07 EUR
2.
Einzug Altdebitoren
53.238,66 EUR
3.
Einzug Neudebitoren
194.534,56 EUR
4.
Verwertung immaterielles Vermögen
100.000,00 EUR
5.
Verwertung sonstiges Vermögen
384.576,96 EUR
6.
Feststellungakostenbeitrag § 171 InsO
452,20 EUR
7.
Verwertungskostenbeitrag § 171 InsO
672,65 EUR
8.
Verwertung Rechte an Immobilien
1.000,00 EUR
9.
Forderungseinzug Liquidation
89.486,93 EUR
10.
Zinsen und ähnliche Erträge
1.203,27 EUR
11.
sonstige regelmäßige Erträge
18.056,91 EUR
12.
sonstige unregelmäßige Erträge
5.280,06 EUR
13.
Entschädigungen von Versicherungen
3.667,14 EUR
14.
Übernahme Bankguthaben
100,35 EUR
15.
Steuererstattungen
30.096,29 EUR
16.
sonstige Erstattungen
24.862,62 EUR
17.
abzgl. ausgezahlte Aus- und Absonbderungsrechte
-220.914,98 EUR
18.
abzgl. nach Eröffnung beglichener Betriebsausgaben aus Zeitraum der vorläufigen Verwaltung
-71.971,91 EUR
19.
zzgl. weiterer Einnahmen seit Niederlegung Schlussrechnung
5.421,23 EUR
Berechnungsgrundlage gesamt:
896.407,01 EUR
Die Beträge zu Position 1 bis 18 ergeben sich aus der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters. Bei Position 19 handelt es sich um Einnahmen, die der Insolvenzverwalter nach Niederlegung der Schlussrechnung verbuchen konnte. Der Betrag ergibt sich aus der dem Vergütungsantrag beigefügten Buchungsübersicht.
Regelsatz, § 2 InsVV:
Aus der nach § 1 InsVV ermittelten Berechnungsgrundlage ergibt sich nach § 2 InsVV eine Regelvergütung in Höhe von EUR.
Zu- und Abschläge, § 3 InsVV:
Die Normalvergütung nach § 2 InsVV deckt die sogenannten “Regelaufgaben” des Insolvenzverwalters ab. Hat der Verwalter in einem Verfahren sogenannte “Sonderaufgaben” durchzuführen, kann ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 3 InsVV entstehen. Zur Definition eines Normalverfahrens siehe Eickmann, Kommentar zur InsVV., § 3, Rn. 12 u.a.
Folgende Zu- und Abschläge wurden vom Insolvenzverwalter beantragt:
20% wegen der Verwertung von Aus- und Absonderungsrechten:
Nach § 3 Abs. 1 a) InsVV ist ein Zuschlag festzusetzen, wenn die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist. Im vorliegenden Fall wurde vom Insolvenzverwalter zum Abverkauf des vorhandenen Warenbestandes ein Räumungsverkauf vorgenommen. Diese Tätigkeit war besonders aufwändig. Auf die Ausführungen des Insolvenzverwalters im Vergütungsantrag wird verwiesen. Da sämtliche Erlöse aus dem Warenverkauf den Absonderungsgläubigern zustanden, hat sich durch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters die Berechnungsgrundlage (und damit seine Regelvergütung) nicht erhöht. Daher ist aufgrund der erheblichen Mehrbelastung ein Zuschlag auf die Vergütung festzusetzen. Der Verwalter hat für diesen Bereich einen Zuschlag in Höhe von 20% beantragt. Aufgrund der zuvor geschilderten erheblichen Mehrarbeit wird dieser Zuschlag antragsgemäß festgesetzt.
20% wegen des Forderungseinzugs:
Grundsätzlich gehört die Verwertung der Insolvenzmasse gemäß § 159 InsO zu den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters. Ein Zuschlag kann nur festgesetzt werden, wenn die Bearbeitung den Verwalter stärker als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat. Auf Graeber/Graeber, Kommentar zur InsVV, 2. Auflage 2016 bzw. www.insvv-online.de, § 3, Rn. 269 wird insoweit Bezug genommen. Im vorliegenden Fall war der Forderungseinzug jedoch erheblich aufwändig. Von den zahlreichen Einzelforderungen mussten hinsichtlich mehr als 20 Forderungen gerichtlich tituliert werden. Diese Forderungen mussten zu einem großen Teil im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Mängeleinreden und Zahlungsabzüge waren zu überprüfen. Es wurden mehrere Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen. Die Ratenzahlungen mussten überwacht werden. Häufig leisteten die Kunden auf ein falsches Konto.
Im Bereich des Debitoreneinzugs lagen noch zahlreiche weitere Erschwernisse vor. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwalters im Vergütungsantrag und Schlussbericht Bezug genommen. Da im vorliegenden Fall die beschriebenen Erschwernisse vorgelegen haben, wird der vom Verwalter geltend gemachte Zuschlag in Höhe von 20% antragsgemäß festgesetzt.
5 % wegen der hohen Gläubigerzahl:
Gemäß Graeber/Graeber, www.insvv-online.de, § 3, Rn. 219 kann eine große Anzahl von anmeldenden Insolvenzgläubigern zu einer überdurchschnittlichen Belastung des Insolvenzverwalters führen. Daher kann insoweit ein Zuschlag festgesetzt werden. Als noch nicht zuschlagsfähig dürfte eine Zahl von 100 Gläubigern anzusehen sein. Laut Graeber/Graeber kann bei einer Überschreitung dieser Zahl für jeweils 100 Gläubiger ein Zuschlag von jeweils 10% gerechtfertigt sein. Da im hiesigen Verfahren insgesamt 104 Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben, wird der vom Verwalter geltend gemachte geringe Zuschlag von 5% als gerechtfertigt angesehen und antragsgemäß festgesetzt.
20% wegen der Tätigkeiten im Arbeitnehmerbereich:
Nach § 3 Abs. 1 d.) InsVV ist ein Zuschlag festzusetzen, wenn arbeitsrechtliche Fragen in Bezug auf Insolvenzgeld, Kündigungsschutz oder einem Sozialplan den Verwalter in erheblichen Anspruch genommen haben. Im vorliegenden Fall musste der Insolvenzverwalter Insolvenzgeldbescheinigungen für 38 Mitarbeiter erstellen. Weiterhin mussten diverse Bescheinigungen ausgestellt werden. 31 Mitarbeiter wurden von einer Nachfolgegesellschaft übernommen. Hinsichtlich der 8 verbliebenen Mitarbeiter mussten Kündigungen ausgesprochen und Aufhebungsvereinbarungen erstellt werden. Insoweit wurde durch den Insolvenzverwalter ein Sozialplan erstellt. Letztlich wurde auch noch eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dies alles führte zu einer nicht unerheblichen Mehrbelastung des Insolvenzverwalters, so dass grundsätzlich ein Zuschlag festzusetzen ist. Die Literatur sieht Zuschläge alleine für das Erstellen von Insolvenzgeldbescheinigungen für mehr als 20 Arbeitnehmer in Höhe von rund 10-25%, in Einzelfällen sogar bis 50% vor. Auf die Übersicht in Graeber/Graeber, Onlinekommentar zu InsVV, www.insvv-online.de, § 3 Rn. 91 ff. wird Bezug genommen. Es wird daher der vom Insolvenzverwalter begehrte Zuschlag in Höhe von 20% antragsgemäß festgesetzt.
Abschlag von 25% wegen der Tätigkeiten des vorläufigen Verwalters:
Vor Eröffnung des Verfahrens war der Insolvenzverwalter bereits als vorläufiger Verwalter eingesetzt. Für diese Tätigkeit ist er bereits gesondert vergütet worden. Durch die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters lagen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Insolvenzverwalters teils erhebliche Erleichterungen vor. Aus diesem Grund ist der vom Insolvenzverwalter geltend gemachte Abschlag in Höhe von 25% antragsgemäß festzusetzen.
Mithin wird also insgesamt die Regelvergütung nach § 3 InsVV um 40% (20+20+5+20-25) erhöht.
Die Regelvergütung zuzüglich einer Erhöhung von 40% ergibt eine Gesamtvergütung in Höhe von EUR
Auslagen, § 8 InsVV:
Die Auslagen sind gesondert festzusetzen. Es wurde die Pauschale nach § 8 Abs. 3 InsVV beantragt, die 15% der Regelvergütung für das erste Jahr sowie jeweils 10% für jedes weitere angefangene Jahr beträgt. Die Auslagenpauschale darf höchstens jedoch 30 % der Regelvergütung betragen. Das Verfahren hat insgesamt 9 angefangene Jahre angedauert. Es können somit 30% der Regelvergütung als Auslagenpauschale festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um den zuvor geschilderten Maximalbetrag. Die Auslagenpauschale beträgt insgesamt EUR.
Neben der Auslagenpauschale wurde zusätzlich die Festsetzung der Kosten für den Sach- und Personalaufwand beantragt, die dem Insolvenzverwalter aufgrund der vom Gericht angeordneten Übertragung des Zustellungswesens entstanden sind. Laut dem Beschluss des BGH vom 21.03.2013 (IX ZB 209/10) ist dem Insolvenzverwalter der zusätzliche Sach- und Personalaufwand, der infolge der Übertragung des Zustellungswesens entstanden ist, zu ersetzen. Dabei ist ein angemessener Betrag pro erfolgte Zustellung als Zuschlag festzusetzen. Dieser tatsächliche Aufwand kann geschätzt werden. Der BGH führt in Rn. 22 unter Bezugnahme auf den weiteren Beschluss des BGH vom 19.01.2012 (IX ZB 25/11) und unter Bezugnahme auf Dr. Graeber in der ZInsO 2007, 204 f. aus, dass der Sach- und Personalaufwand 2,80 EUR pro Zustellung betragen kann. Der Insolvenzverwalter hat 2,80 EUR pro Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an 123 Gläubiger geltend gemacht. Dem Antrag ist aufgrund der zuvor zitierten Rechtsprechung des BGH stattzugeben. Es werden daher zusätzlich EUR aufgrund der Übertragung des Zustellungswesens festgesetzt.
Umsatzsteuer, § 7 InsVV:
Nach § 7 InsVV ist auf die Vergütung und die Auslagen die Umsatzsteuer festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, soweit der Beschwerdegegenstand 200 EUR übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann sie mit der befristeten Erinnerung angefochten werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtspfleger getroffen wurde. Beschwerde- bzw. erinnerungsberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die sofortige Beschwerde und die befristete Erinnerung sind innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen einzulegen. Die befristete Erinnerung ist bei dem Amtsgericht Gießen, Gutfleischstraße 1, 35390 Gießen einzulegen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bzw. Erinnerungsschrift eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer bzw. Erinnerungsführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde bzw. Erinnerung muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde bzw. Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung soll begründet werden.
Hinweise:
Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden. Die Veröffentlichung erfolgt aufgrund § 64 Abs. 2 InsO und dem Beschluss des BGH vom 14.12.2017 (Az. IX ZB 65/16). Demnach ist der komplette Beschluss einschließlich Angabe der Berechnungsgrundlage öffentlich bekannt zu machen. Lediglich die festgesetzten Beträge dürfen nicht bekannt gemacht werden.
Amtsgericht Gießen, 23.02.2023.