Devolo AG

Amtsgericht Aachen, Aktenzeichen: 91 IN 15/22
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der im Handelsregister des Amtsgerichts Aachen unter HRB 8931 eingetragenen Devolo AG, Charlottenburger Allee 67, 52068 Aachen, gesetzlich vertreten durch den Vorstand Herrn Heiko Harbers, Charlottenburger Allee 67, 52068 Aachen,
vormalige Insolvenzschuldnerin,

Die Vergütung für das Mitglied des vorläufigen Gläubigerausschusses Herrn Thilo Siebert, Auf der Weide 33, 52146 Würselen, wird wie folgt festgesetzt:
– Tätigkeit im vorläufigen Gläubigerausschuss ab der Bestellung bis zum 30.04.2022:
Vergütung: xxx EUR
Auslagen: xxx EUR
Umsatzsteuer xxx EUR
Gesamtbetrag: xxx EUR
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Dem Vergütungsantrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Schuldnerin stellte am 27.01.2022 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und zum Schutz zur Vorbereitung einer Sanierung gemäß § 270 d InsO (Schutzschirmverfahren).
Bei der Schuldnerin, die als Aktiengesellschaft mit einer Bilanzsumme von ca. 39 Millionen € im Geschäftsjahr 2020, Umsatzerlösen von über 98 Millionen € und einer durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl von 219 (Bl. 7 der Akte) die Kriterien eines sogenannten Schwellenwertverfahrens (§ 22a Abs. 1 InsO) erfüllt, handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen im Familienbesitz um den Alleinvorstand und Gründer Heiko Harbers. Es hat eine übersichtliche Firmenstruktur (Bl. 81, 1309 der Akte), nämlich die “Muttergesellschaft” mit Stammsitz in Aachen und elf “Tochtergesellschaften” mit ca. 40 Mitarbeitern im Ausland, über die der Vertrieb der schuldnerischen Produkte erfolgt. Ein Betriebsrat besteht trotz der Unternehmensgröße nicht. Dabei werden die Hauptumsatzerlöse im europäischen Binnenmarkt erzielt, und zwar in Deutschland als größtem Markt (35,3 %), gefolgt von Frankreich (20,9 %), Belgien (9,6 %), der Schweiz (8,2 %), Österreich (7,3 %) und England (5,7 %), wobei in den übrigen Ländern nur Umsätze zwischen 0,2 % bis 3 % des Umsatzes erzielt werden (Bl. 85 der Akte) und die Geschäftsaktivitäten in den USA wegen Erfolglosigkeit eingestellt werden sollen.
Das Geschäftsfeld der Schuldnerin ist übersichtlich und umfasst vor allem den Vertrieb von vornehmlich aus Kostengründen in Asien gefertigten Netzwerktechniken zur Datenweiterleitung über hausinterne Stromleitungen, der sogenannten “Powerline-Technologie”, die zur Datenübertragung die in den Gebäuden verlegten Stromleitungen nutzt. Das Anfang 2002 als sogenanntes “management-buy-out” aus der Elsa AG gegründete Unternehmen mit seinerzeit lediglich 25 Mitarbeitern konnte in den folgenden Jahren ein erhebliches Wachstum verzeichnen und ist zum weltweit führenden Anbieter der Powerline-Netzwerktechnik aufgestiegen. Mit Beginn der Corona-Pandemie in 2020 konnte es zunächst eine erhebliche Umsatzsteigerung verzeichnen, weil sich viele Kunden im “Homeoffice” entsprechende Netzwerke mit Produkten der Schuldnerin einrichteten. Sodann kam es jedoch zu einer Liquiditätskrise und wirtschaftlichen Schieflage dadurch, dass die Umsätze in 2021 mit den pandemiebedingten “Lockdowns” und einem damit einhergehenden fehlenden Absatz im stationären Handel erheblich einbrachen, die Schuldnerin diese Entwicklung zudem nicht vorhergesehen und aufgrund der langen Lieferketten bereits umfangreiche Bestellungen neuer Produkte in Asien getätigt hatte, die zu einem übergroßen Lagerzugang von etwa 6,8 Millionen € und einer entsprechenden Kapitalbindung führten. Zudem hatte die Schuldnerin in den letzten Jahren mit über 50 Millionen € massiv in Neuentwicklungen investiert, von denen aber nur wenige marktfähig umgesetzt werden konnten. Schließlich kam es aufgrund des Brexits in Großbritannien zum Verlust eines Großauftrages.
Die Schuldnerin hatte sich im Vorfeld der Antragstellung Ende Januar 2022 umfangreich von der auf Restrukturierung und Sanierung spezialisierten Firma AMBG beraten lassen, deren Geschäftsführer Diplomwirtschaftsingenieur Daniel Mann bereits die Krisenursachen analysiert und ein umfangreiches Sanierungskonzept erarbeitet hatte (vergleiche die Kurzdarstellung 74 ff. der Akte, in dem auf den Seiten 33 und 34 die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur außergerichtlichen Sanierung und auf den Seiten 40-42 die im gerichtlichen Verfahren geplanten Maßnahmen dargelegt sind). Insbesondere sollten erfolgen
– eine Fokussierung der Geschäftstätigkeit auf zukunftsfähige und markttaugliche Produkte,
– eine Reduzierung teurer Entwicklungsprojekte, der Produktpalette und des übergroßen Lagerbestandes und schließlich
– eine Kostenreduzierung unter anderem durch Personalabbau, Forderungsverkauf und Umstrukturierung der Verkaufskanäle.
Sodann sollte im Verfahren ein neuer strategischer Partner gewonnen werden, der zusammen mit dem aktuellen Gesellschafter eine nachhaltige Sicherung der Markttätigkeit der Schuldnerin ermöglichen sollte.
Nachdem das Schutzschirmverfahren auf den am 27.01.2022 eingegangenen Antrag der Schuldnerin mit Beschluss vom 01.02.2022 angeordnet worden war, teilte der Schuldnervertreter mit Schriftsatz vom 04.02.2022 (Bl. 288 d.A.) mit, dass die Banken die Kredite gekündigt hätten und damit Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei. Auf das daraufhin erfolgte gerichtliche Schreiben vom 08.02.2022 (Bl. 291, 292 der Akte), dass die Anzeige der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 270b Abs. 4 InsO für das Insolvenzgericht die Verpflichtung auslöse, zu prüfen, ob das Schutzschirmverfahren fortgesetzt oder aufzuheben sei, insbesondere wenn sich die angestrebte Sanierung nunmehr als aussichtslos erweise, teilte Rechtsanwalt Dr. Braun in einem zweiseitigen Schreiben vom 15.02.2022 (Bl. 367, 368 der Akte) mit, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach Kündigung der Banken keinen Anlass darstelle, die Eigenverwaltung aufzuheben, sondern im Gegenteil bereits bei der Aufstellung der Liquiditätsplanung für das Verfahren davon ausgegangen worden sei, dass die Banken (wie regelmäßig in jedem Verfahren) die Kontokorrentkreditlinie kündigen würden und aus diesem Grund die gesamte Liquiditätsplanung des Verfahrens unter dem Szenario aufgestellt worden sei, dass die Kreditlinien nicht mehr zur Verfügung stehen würden, wobei institutionelle Bankengläubiger immer mit Bekanntwerden des Insolvenzantrages die Kreditlinien kündigen würden. Rechtsanwalt Dr. Heldrich gab als Vertreter des Gläubigerausschussmitgliedes Köller und Nowak am 17.02.2022 eine einseitige (Bl. 372 der Akte), Rechtsanwalt Dr. Leinekugel für die Gläubigerin Oppenländer am 22.02.2022 eine dreiseitige (Bl. 441-43 der Akte) und Rechtsanwalt Borowski als Vertreter des Gläubigerausschussmitgliedes Thilo Seibert am 25.02.2022 eine zweiseitige Stellungnahme (Bl. 464, 465 der Akte) ab, auf deren Inhalte jeweils Bezug genommen wird.
Weil die Schuldnerin eine Sanierung durch einen Insolvenzplan mit Investoreneinstieg beabsichtigte (Bl. 312 d.A.), wurde nach Anordnung des Schutzschirmverfahrens und der Bestellung von Rechtsanwalt Weiß zum vorläufigen Sachwalter durch den vorgenannten Beschluss vom 01.02.2022 (Bl. 249 f. d.A) mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschuss die Unternehmensberatung Roland Berger mit einem sogenannten weltweiten M&A-Prozess beauftragt. Die Ansprache von 168 internationalen potentiellen Investoren blieb jedoch erfolglos, weil sämtliche Interessenten spätestens nach erfolgter Prüfung der Geschäftslage der Schuldnerin (“due diligence”) die vorgestellte Sanierungslösung nicht mittragen wollten (Bl. 337 der Akte).
Der vom vorläufigen Gläubigerausschuss und nochmals in der Gläubigerversammlung am 22.06.2022 gemäß § 284 Abs. 1 InsO mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragte zwischenzeitlich durch Eröffnungsbeschluss vom 01.05.2022 (Bl. 871 ff. d.A.) zum (endgültigen) Sachwalter bestellte Rechtsanwalt Weiß legte den Insolvenzplan vom 09.09.2022 (Bl. 1301 ff. der Akte) vor, der den Austritt der ohnehin nur mit 1,01 % an der Schuldnerin beteiligten Ehefrau des Alleinvorstandes Frau Therese Focken vorsah und den Eintritt des Sohnes Gerrit Harbers durch Übernahme von Aktien in Höhe von insgesamt 30 %, wobei sich dieser “zur Deckung der Verfahrenskosten und Befriedigung der Insolvenzgläubiger” an der Umsetzung des Insolvenzplans mit einem Planbeitrag von 500.000 € beteiligen sollte (Bl. 1350-1352 der Akte).
Zudem sollte der Ausgleich der bei Verfahrensaufhebung fälligen Masseansprüche über ein Darlehen der Harbers Immo GmbH i.H.v. 2.000.000 € an die Schuldnerin erfolgen. Für den fremdrechtsfreien Warenbestand bei Verfahrensaufhebung von 8.715.300 € soll die Schuldnerin einen Auskehrbetrag i.H.v. 2.400.000 € und damit etwa 27,54 % zahlen, und zwar in der Form von jeweils hälftigen Ausschüttungen spätestens zum 31.03.2023 und 31.03.2024 (Bl. 1324 f. der Akte). Zur “Tilgung der Verfahrenskosten und Quotenausschüttung” sollte die Schuldnerin überdies eine Zahlung auf die Debitoren-Kreditoren-Differenz i.H.v. 2.000.000 € erbringen (Bl. 1326 der Akte). Der Sachwalter sollte die Erfüllung des Insolvenzplans maximal 30 Monate lang überwachen.
Es wurden vier Gläubigergruppen gebildet. Die Arbeitnehmer der Gruppe 1 sollten zu 100 % befriedigt werden, die Gruppe der an der Schuldnerin beteiligten Personen (Nr. 3) und der Pensionssicherungsverein (Nr. 4) hingegen keine Quote erhalten und der Gruppe der sonstigen nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger (Nr. 2) wurde eine voraussichtliche Verteilungsquote von 6,20 % ohne Berücksichtigung gegebenenfalls weiterer Zahlungen infolge der Auflösung von Rückstellungen in Aussicht gestellt.
Im Rahmen der gemäß § 220 Abs. 2 S. 2 InsO gebotenen Vergleichsrechnung legte der Sachwalter auf Seiten 37 bis 40 des Plans dar (Blatt 1337-1340 der Akte), dass ohne Insolvenzplan lediglich eine Zerschlagung und Liquidierung der Schuldnerin in Betracht kommen und in diesem Fall keinerlei Befriedigungsaussichten für die Gläubiger der Gruppen 1 und 2 bestehen würden.
Im Termin am 06.10.2022 (Bl. 1532 ff. der Akte) wurde der Insolvenzplan mit ganz überwiegender Mehrheit der Kopf- und Summenanteile der Gläubiger angenommen. Das Insolvenzverfahren wurde sodann mit Beschluss vom 27.10.2022 zum 31.10.2022 aufgehoben.
Das Insolvenzgericht hatte den Gläubiger Herrn Thilo Siebert gemäß Beschluss vom 01.02.2022 (Bl. 257 d.A.) als Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO eingesetzt. Das Antragsverfahren dauerte bis zur Insolvenzeröffnung am 01.05.2022.
Im Eröffnungsverfahren fanden zwei Gläubigerausschusssitzungen statt, und zwar am 11.02.2022 eine konstituierende Sitzung im Rahmen einer Videokonferenz von 9:00 Uhr bis 11:20 Uhr, also für einen Zeitraum von 2 Stunden und 20 Minuten (Bl. 1 ff. des Sonderbandes Protokolle Gläubigerausschuss und Kassenprüfungsprotokolle), und als Präsenzveranstaltungen am 09.03.2022 von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, also einer Dauer von 3 Stunden (Bl. 19 ff. des Sonderbandes).
Mit Antrag vom 17.10.2022, ergänzt mit Schriftsatz vom 11.01.2023 (Bl. 39 ff. und 489 ff. des SB Gläubigerausschussvergütungsanträge) beantragte die Rechtsanwälte Buchalik Brömmekamp, für ihre Tätigkeit im vorläufigen Gläubigerausschuss eine Vergütung von 16.401,89 € festzusetzten.
Im Hinblick auf den engen Zusammenhang der Vergütungsanträge des Sachwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses mit dem Insolvenzplanverfahren wurde in Absprache mit dem Rechtspfleger gemäß §§ 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 5 Abs. 3, 6 RPflG die Bearbeitung derselben am 03.11.2022 durch den Richter vorbehalten und übernommen.
II.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Beschlüsse vom 14.01.2021, IX ZB 71/18, Rn. 7 ff. und IX ZB 94/18, Rn. 8 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen, juris) richtet sich der einem Mitglied des (vorl.) Gläubigerausschusses gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 1 a, 73 Abs. 1 Satz 1 InsO in Verbindung mit §§ 17, 18 InsVV für seine Tätigkeit zustehende Anspruch auf Vergütung und Erstattung angemessener Auslagen im Regelfall nach dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit (§ 73 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Hierzu zählen einerseits für alle Mitglieder des Gläubigerausschusses gleich wirkende Umstände wie der Umfang und die Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens und der Aufgaben des Gläubigerausschusses in dem betreffenden Insolvenzverfahren. Andererseits sind auch nur in der Person des Mitglieds begründete Umstände heranzuziehen wie besondere nicht versicherbare Haftungsrisiken, Art und inhaltlicher Umfang (Intensität) der Mitwirkung sowie die Qualifikation und Sachkunde des jeweiligen Ausschussmitglieds. Wird eine juristische Person zum Mitglied des Gläubigerausschusses bestellt, ist maßgeblich, wen diese als ihren Vertreter entsendet. War es objektiv erforderlich, sich durch eine besonders qualifizierte und sachkundige Person vertreten zu lassen, ist dies bei der Höhe der Vergütung zu berücksichtigen.
Dabei ist für die Höhe des Stundensatzes weiter zu berücksichtigen, dass die Vergütung nach § 73 Abs. 1 InsO, § 17 Abs. 1 InsVV eine Aufwandsentschädigung darstellt, die keine einkommenssichernde Funktion hat. Die Dauer des Insolvenzverfahrens und der zeitliche Gesamtumfang der Tätigkeit sind zudem kein Kriterium für die Bemessung des Stundensatzes, weil dem bereits durch den Zeitaufwand Rechnung getragen wird. Ebenso wenig ist für den Stundensatz erheblich, dass die Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses nicht verpflichtend ist. Auch die allgemeinen Haftungsrisiken beeinflussen den Stundensatz nicht. Insoweit ist das Mitglied bereits dadurch geschützt, dass die Kosten einer angemessenen Haftpflichtversicherung der Masse zur Last fallen.
Die Höhe des Stundensatzes ergibt sich in erster Linie aus § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV. Sie beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde für Insolvenzverfahren, die ab Anfang 2021 beantragt worden sind, so dass sich für Normalverfahren ein durchschnittlicher Stundensatz von 175 Euro ergibt. Das Gericht darf den vom Verordnungsgeber in § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV für den Stundensatz vorgegebenen Rahmen bis zu 300 Euro je Stunde nur überschreiten, wenn der Umfang der Tätigkeit von den bei einem Insolvenzverfahren, in dem üblicherweise ein Gläubigerausschuss eingesetzt wird, regelmäßig zu erwartenden Umständen abweicht. Maßgeblich ist, ob die für die Bemessung des Stundensatzes erheblichen Umstände bei einer Gesamtwürdigung des Umfangs der Tätigkeit dazu führen, dass der von § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV festgelegte obere Stundensatz auch unter Berücksichtigung des Charakters als Entschädigung für einen Zeitaufwand offensichtlich keine angemessene Vergütung mehr gewährleistet. Umfang und Schwierigkeiten eines Verfahrens müssen dabei nicht außergewöhnlich oder außerordentlich sein, um den im Rahmen aus Satz 1 vorgesehenen Höchstsatz zu übersteigen. Die Rechtsprechung des BGH bezieht sich dabei allerdings noch auf die früher geltenden Stundensätze von lediglich 35 bis 95 €, die durch eine Neufassung des § 17 InsVV für Verfahrenseingänge ab Anfang 2021 erheblich erhöht worden sind auf 50 bis 300 €.
Soweit es die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen, ist das Gericht befugt, den Stundensatz für die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses unterschiedlich zu bestimmen. Besondere Umstände, die eine unterschiedliche Höhe des Stundensatzes rechtfertigen können, sind insbesondere die Qualifikation und Sachkunde des jeweiligen Ausschussmitglieds. Zudem ist zu berücksichtigen, ob das Mitglied durch die Dauer oder die Häufigkeit seiner Inanspruchnahme andernfalls einen nicht zumutbaren Erwerbsverlust erleiden würde, etwa wenn die zeitliche Inanspruchnahme über einen längeren Zeitraum einen erheblichen Anteil der insgesamt verfügbaren wöchentlichen Arbeitszeit ausmacht.
Hinsichtlich der Stundenzahl kommt es auf die tatsächlich geleisteten Stunden an. Vergütungsfähig sind nur jene Stunden und Tätigkeiten, die innerhalb des Aufgabengebiets des Gläubigerausschusses geleistet wurden. Dies sind alle Zeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit im Gläubigerausschuss stehen. Eingeschlossen sind z.B. das Aktenstudium, Recherchearbeiten, die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen und Prüfung von Rechnungen und Bilanzen des Verwalters, notwendige Fahrt- bzw. Reise- und Telefonzeiten, wobei lediglich erkennbar überflüssige und unnötige Tätigkeiten nicht vergütungsfähig sind (Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Aufl. 2022, § 73 InsO, Rn. 2 und § 17 InsVV, Rn. 18 f.)

III.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze berechnet sich die Vergütung für die Tätigkeit im vorläufigen und endgültigen Gläubigerausschuss im eingangs genannten Rahmen wie folgt:
1.
Der Stundensatz ist für Rechtsanwalt Borowski auf 280 € festzusetzen. Die Vergütung nach § 73 Abs. 1 InsO, § 17 Abs. 1 InsVV stellt nur eine Aufwandsentschädigung dar, die keine einkommenssichernde Funktion hat. Bei der Höhe des Stundensatzes war zunächst der größere Umfang des vorliegenden Schwellenwertverfahrens im Vergleich zu einem Normalverfahren mit Gläubigerausschuss zu berücksichtigen. Sonstige Erschwernisse der Arbeit des vorläufigen Gläubigerausschusses bestanden nicht. Insbesondere lagen keine der für die Schwierigkeit eines Verfahrens anerkannten Kriterien wie komplexe Konzernstrukturen, komplizierte und vielschichtige Gläubigerstrukturen oder zahlreiche ausländische Beteiligungen vor (Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, a.a.O., § 17 InsVV, Rn. 51). Aufgrund des unkomplizierten Verlaufs waren auch nur 2 Ausschusssitzungen bis zur Verfahrenseröffnung notwendig. Der vorläufige Gläubigerausschuss hat zudem in Form von Korrespondenz bei der Überwachung der Fortführung des Geschäftsbetriebes und der Liquiditäts- und Ertragsplanung mitgewirkt, die in Form eines regelmäßigen “Reportings” dem Gläubigerausschuss zur Verfügung gestellt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Protokolle zu den Ausschusssitzungen des vorläufigen Gläubigerausschusses im entsprechenden Sonderband Bezug genommen.
Der Gläubiger Theo Siebert wurde durch Rechtsanwalt Borowski im Gläubigerausschuss vertreten, wobei es aufgrund der vorgenannten Umstände objektiv erforderlich war, sich durch eine qualifizierte und sachkundige Person vertreten zu lassen. Dies trifft auf Rechtsanwalt Borowski zu, der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht ist und über besondere Erfahrungen im Insolvenzrecht verfügt, u.a. als Mitglied in Gläubigerausschüssen in mehreren größeren Insolvenzverfahren. Aufgrund dieser besonderen Qualifikation und Erfahrung ist allerdings auch zu erwarten, dass er die ihm obliegenden Überwachungsaufgaben im (vorläufigen) Gläubigerausschuss, wie z.B. eine fundierte Analyse der Geschäftsdaten der Schuldnerin oder des vom Sachwalter vorgelegten Insolvenzplans, effektiv und damit zeitsparend vornehmen kann.
Unter Berücksichtigung des deutlich überdurchschnittlichen Umfanges der Tätigkeit des vorläufigen Gläubigerausschusses im vorliegenden Schwellenwertverfahren und der fachlichen Qualifikation des den Gläubiger vertretenden Rechtsanwaltes Borowski erscheint eine im oberen Bereich des Vergütungsrahmens liegende Vergütung von 280 € pro Stunde angemessen aber auch ausreichend. Denn bei einer Gesamtwürdigung des Umfangs der Tätigkeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der von § 17 Abs. 1 S. 1 InsVV festgelegte Vergütungsrahmen unter Berücksichtigung seines Charakters als Entschädigung und für den hier vergleichsweise überschaubaren Zeitaufwand offensichtlich keine angemessene Vergütung mehr darstellen würde.
Unter zusammenfassender Bewertung des Umfangs und der Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens, der Aufgaben des vorläufigen Gläubigerausschusses im Abrechnungszeitraum, der Art und des inhaltlicher Umfangs der Mitwirkung sowie der Qualifikation und Sachkunde von Rechtsanwalt Borowski erscheint ein im oberen Bereich der von § 17 Abs. 1 InsVV vorgegebenen Spanne anzusetzender Stundensatz in Höhe von 280 € sachgerecht. Auch das LG Aachen hat im Beschluss vom 29.03.2023 – 6 T 7/23 – (Bl. 549 ff. d.AB.) hinsichtlich eines vergleichbar qualifizierten Verfahrensbevollmächtigten eines anderen Gläubigerausschuss-Mitgliedes einen Stundensatz von 280 € für ausreichend gehalten.

2.
Der Zeitaufwand für eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben eines vorläufigen Gläubigerausschussmitgliedes ist in der dem o.g. ergänzten Antrag nunmehr nachvollziehbar angegeben worden, so dass sich bei xxx bei einem Stundensatz von 280 € ein Vergütungsanspruch von xxx € netto ergibt.
Die Auslagen in Form von Reisekosten waren auf xxx € festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 793 ZPO gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, oder dem Beschwerdegericht, Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Aachen oder dem Landgericht Aachen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
91 IN 15/22
Amtsgericht Aachen, 18.04.2023