Devolo AG

Amtsgericht Aachen, Aktenzeichen: 91 IN 15/22
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der im Handelsregister des Amtsgerichts Aachen unter HRB 8931 eingetragenen Devolo AG, Charlottenburger Allee 67, 52068 Aachen, gesetzlich vertreten durch den Vorstand Herrn Heiko Harbers, Charlottenburger Allee 67, 52068 Aachen,
vormalige Insolvenzschuldnerin,

Sachwalter: Rüdiger Weiß, Graf-Adolf-Platz 1-2, 40213 Düsseldorf
wird die Vergütung für das Mitglied des (vorläufigen) Gläubigerausschusses Sparkasse Aachen wird wie folgt festgesetzt:
Tätigkeit im vorläufigen Gläubigerausschuss ab der Bestellung bis zum 30.04.2022:
Vergütung: XXXXXX EUR = XXXX EUR
Umsatzsteuer XXXXEUR
Gesamtbetrag: XXXX EUR
Tätigkeit im Gläubigerausschuss vom 01.05. bis 31.10.2022:
Vergütung: XXXXXX EUR = XXXXXEUR
Umsatzsteuer XXXXX EUR
Gesamtbetrag: XXXXX EUR

Gründe:
I.
Dem Vergütungsantrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei der Schuldnerin, die als Aktiengesellschaft mit einer Bilanzsumme von ca. 39 Millionen € im Geschäftsjahr 2020, Umsatzerlösen von über 98 Millionen € und einer durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl von 219 (Bl. 7 der Akte) die Kriterien eines sogenannten Schwellenwertverfahrens (§ 22a Abs. 1 InsO) erfüllt, handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen im Familienbesitz um den Alleinvorstand und Gründer Heiko Harbers. Es hat eine übersichtliche Firmenstruktur (Bl. 81, 1309 der Akte), nämlich die “Muttergesellschaft” mit Stammsitz in Aachen und elf “Tochtergesellschaften” mit ca. 40 Mitarbeitern im Ausland, über die der Vertrieb der schuldnerischen Produkte erfolgt. Dabei werden die Hauptumsatzerlöse im europäischen Binnenmarkt erzielt, und zwar in Deutschland als größtem Markt (35,3 %), gefolgt von Frankreich (20,9 %), Belgien (9,6 %), der Schweiz (8,2 %), Österreich (7,3 %) und England (5,7 %), wobei in den übrigen Ländern nur Umsätze zwischen 0,2 % bis 3 % des Umsatzes erzielt werden (Bl. 85 der Akte) und die Geschäftsaktivitäten in den USA wegen Erfolglosigkeit eingestellt werden sollen.
Das Geschäftsfeld der Schuldnerin ist übersichtlich und umfasst vor allem den Vertrieb von vornehmlich aus Kostengründen in Asien gefertigten Netzwerktechniken zur Datenweiterleitung über hausinterne Stromleitungen, der sogenannten “Powerline-Technologie”, die zur Datenübertragung die in den Gebäuden verlegten Stromleitungen nutzt. Das Anfang 2002 als sogenanntes “management-buy-out” aus der Elsa AG gegründete Unternehmen mit seinerzeit lediglich 25 Mitarbeitern konnte in den folgenden Jahren ein erhebliches Wachstum verzeichnen und ist zum weltweit führenden Anbieter der Powerline-Netzwerktechnik aufgestiegen. Mit Beginn der Corona-Pandemie in 2020 konnte es zunächst eine erhebliche Umsatzsteigerung verzeichnen, weil sich viele Kunden im “Homeoffice” entsprechende Netzwerke mit Produkten von Devolo einrichteten. Sodann kam es jedoch zu einer Liquiditätskrise und wirtschaftlichen Schieflage dadurch, dass die Umsätze in 2021 mit den pandemiebedingten “Lockdowns” und einem damit einhergehenden fehlenden Absatz im stationären Handel erheblich einbrachen, die Schuldnerin diese Entwicklung zudem nicht vorhergesehen und aufgrund der langen Lieferketten bereits umfangreiche Bestellungen neuer Produkte in Asien getätigt hatte, die zu einem übergroßen Lagerzugang von etwa 6,8 Millionen € und einer entsprechenden Kapitalbindung führten. Zudem hatte die Schuldnerin in den letzten Jahren mit über 50 Millionen € massiv in Neuentwicklungen investiert, von denen aber nur zu wenige marktfähig umgesetzt werden konnten. Schließlich kam es aufgrund des Brexits in Großbritannien zum Verlust eines Großauftrages.
Die Schuldnerin hatte sich im Vorfeld der Antragstellung Ende Januar 2022 umfangreich von der auf Restrukturierung und Sanierung spezialisierten Firma AMBG beraten lassen, deren Geschäftsführer Diplomwirtschaftsingenieur Daniel Mann bereits die Krisenursachen analysiert und ein umfangreiches Sanierungskonzept erarbeitet hatte (vergleiche die Kurzdarstellung 74 ff. der Akte, in dem auf den Seiten 33 und 34 die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur außergerichtlichen Sanierung und auf den Seiten 40-42 die im gerichtlichen Verfahren geplanten Maßnahmen dargelegt sind). Insbesondere sollten erfolgen
– eine Fokussierung der Geschäftstätigkeit auf zukunftsfähige und markttaugliche Produkte,
– eine Reduzierung teurer Entwicklungsprojekte, der Produktpalette und des übergroßen Lagerbestandes und schließlich
– eine Kostenreduzierung unter anderem durch Personalabbau, Forderungsverkauf und Umstrukturierung der Verkaufskanäle.
Sodann sollte im Verfahren ein neuer strategischer Partner gewonnen werden, der zusammen mit dem aktuellen Gesellschafter eine nachhaltige Sicherung der Markttätigkeit der Schuldnerin ermöglichen sollte.
Weil die Schuldnerin eine Sanierung durch einen Insolvenzplan mit Investoreneinstieg beabsichtigte (Bl. 312 d.A.), wurde nach Anordnung des Schutzschirmverfahrens und der Bestellung von Rechtsanwalt Weiß zum vorläufigen Sachwalter durch Beschluss vom 01.02.2022 (Bl. 249 f. d.A) mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschuss die Unternehmensberatung Roland Berger mit einem sogenannten weltweiten M&A-Prozess beauftragt. Die Ansprache von 168 internationalen potentiellen Investoren blieb jedoch erfolglos, weil sämtliche Interessenten spätestens nach erfolgter Prüfung der Geschäftslage der Schuldnerin (“due diligence”) die vorgestellte Sanierungslösung nicht mittragen wollten (Bl. 337 der Akte).
Der vom vorläufigen Gläubigerausschuss und nochmals in der Gläubigerversammlung am 22.06.2022 gemäß § 284 Abs. 1 InsO mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragte zwischenzeitlich durch Eröffnungsbeschluss vom 01.05.2022 (Bl. 871 ff. d.A.) zum (endgültigen) Sachwalter bestellte Rechtsanwalt Weiß legte den Insolvenzplan vom 09.09.2022 (Bl. 1301 ff. der Akte) vor, der den Austritt der ohnehin nur mit 1,01 % an der Schuldnerin beteiligten Ehefrau des Alleinvorstandes Frau Therese Focken vorsah und den Eintritt des Sohnes Gerrit Harbers durch Übernahme von Aktien in Höhe von insgesamt 30 %, wobei sich dieser “zur Deckung der Verfahrenskosten und Befriedigung der Insolvenzgläubiger” an der Umsetzung des Insolvenzplans mit einem Planbeitrag von 500.000 € beteiligen sollte (Bl. 1350-1352 der Akte).
Zudem sollte der Ausgleich der bei Verfahrensaufhebung fälligen Masseansprüche über ein Darlehen der Harbers Immo GmbH i.H.v. 2.000.000 € an die Schuldnerin erfolgen. Für den fremdrechtsfreien Warenbestand bei Verfahrensaufhebung von 8.715.300 € soll die Schuldnerin einen Auskehrbetrag i.H.v. 2.400.000 € und damit etwa 27,54 % zahlen, und zwar in der Form von jeweils hälftigen Ausschüttungen spätestens zum 31.03.2023 und 31.03.2024 (Bl. 1324 f. der Akte). Zur “Tilgung der Verfahrenskosten und Quotenausschüttung” sollte die Schuldnerin überdies eine Zahlung auf die Debitoren-Kreditoren-Differenz i.H.v. 2.000.000 € erbringen (Bl. 1326 der Akte). Der Sachwalter sollte die Erfüllung des Insolvenzplans maximal 30 Monate lang überwachen.
Es wurden vier Gläubigergruppen gebildet. Die Arbeitnehmer der Gruppe 1 sollten zu 100 % befriedigt werden, die Gruppe der an der Schuldnerin beteiligten Personen (Nr. 3) und der Pensionssicherungsverein (Nr. 4) hingegen keine Quote erhalten und der Gruppe der sonstigen nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger (Nr. 2) wurde eine voraussichtliche Verteilungsquote von 6,20 % ohne Berücksichtigung gegebenenfalls weiterer Zahlungen infolge der Auflösung von Rückstellungen in Aussicht gestellt.
Im Rahmen der gemäß § 220 Abs. 2 S. 2 InsO gebotenen Vergleichsrechnung legte der Sachwalter auf Seiten 37 bis 40 des Plans dar (Blatt 1337-1340 der Akte), dass ohne Insolvenzplan lediglich eine Zerschlagung und Liquidierung der Schuldnerin in Betracht kommen und in diesem Fall keinerlei Befriedigungsaussichten für die Gläubiger der Gruppen 1 und 2 bestehen würden.
Im Termin am 06.10.2022 (Bl. 1532 ff. der Akte) wurde der Insolvenzplan mit ganz überwiegender Mehrheit der Kopf- und Summenanteile der Gläubiger angenommen. Das Insolvenzverfahren wurde sodann mit Beschluss vom 27.10.2022 zum 31.10.2022 aufgehoben.

Das Insolvenzgericht hatte die Sparkasse Aachen gemäß Beschluss vom 07.03.2022 als Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO eingesetzt. Als Vertreter der Sparkasse Aachen wurde Rechtsanwalt Dr. Kruth in den Beschluss aufgenommen. Das Antragsverfahren dauerte bis zur Insolvenzeröffnung am 01.05.2022. Mit Verfahrenseröffnung hat das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 01.05.2022 die Sparkasse Aachen als Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 67 Abs. 1 InsO eingesetzt, welcher durch die erste Gläubigerversammlung ohne Änderung der Mitglieder beibehalten wurde (§ 68 InsO; endgültiger Gläubigerausschuss). Als Vertreter der Sparkasse Aachen wurde erneut Rechtsanwalt Dr. Kruth in den Beschluss aufgenommen. Die Tätigkeit wurde bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zum 31.10.2022 ausgeübt.
Im Eröffnungsverfahren fanden zwei Gläubigerausschusssitzungen statt, und zwar am 11.02.2022 eine konstituierende Sitzung im Rahmen einer Videokonferenz von 9:00 Uhr bis 11:20 Uhr, also für einen Zeitraum von 2 Stunden und 20 Minuten (Bl. 1 ff. des Sonderbandes Protokolle Gläubigerausschuss und Kassenprüfungsprotokolle), und als Präsenzveranstaltungen am 09.03.2022 von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, als einer Dauer von 3 Stunden (Bl. 19 ff. des Sonderbandes).
Nach der Eröffnung des Verfahrens fanden zwei weitere Gläubigerausschusssitzungen statt, und zwar am 31.05.2022 als Videokonferenz von 15:30 bis 17:20 Uhr, also für 1 Stunde und 50 Minuten (Bl. 40 ff. des Sonderbandes). Schließlich fand am 20.07.2022 von 16:00 Uhr bis 16:40 Uhr eine 40-minütige weitere Videokonferenz des Gläubigerausschusses statt. Soweit im dortigen Protokoll ein nächster Termin zur Ausschusssitzung auf den 03.08.2022 abgestimmt wurde, fand dieser Termin offenbar nicht statt, denn es wurde kein weiteres Sitzungsprotokoll eingereicht.

II.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Beschlüsse vom 14.01.2021, IX ZB 71/18, Rn. 7 ff. und IX ZB 94/18, Rn. 8 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen, juris) richtet sich der einem Mitglied des (vorl.) Gläubigerausschusses gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 1 a, 73 Abs. 1 Satz 1 InsO in Verbindung mit §§ 17, 18 InsVV für seine Tätigkeit zustehende Anspruch auf Vergütung und Erstattung angemessener Auslagen im Regelfall nach dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit (§ 73 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Hierzu zählen einerseits für alle Mitglieder des Gläubigerausschusses gleich wirkende Umstände wie der Umfang und die Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens und der Aufgaben des Gläubigerausschusses in dem betreffenden Insolvenzverfahren. Andererseits sind auch nur in der Person des Mitglieds begründete Umstände heranzuziehen wie besondere nicht versicherbare Haftungsrisiken, Art und inhaltlicher Umfang (Intensität) der Mitwirkung sowie die Qualifikation und Sachkunde des jeweiligen Ausschussmitglieds. Wird eine juristische Person zum Mitglied des Gläubigerausschusses bestellt, ist maßgeblich, wen diese als ihren Vertreter entsendet. War es objektiv erforderlich, sich durch eine besonders qualifizierte und sachkundige Person vertreten zu lassen, ist dies bei der Höhe der Vergütung zu berücksichtigen.
Dabei ist für die Höhe des Stundensatzes weiter zu berücksichtigen, dass die Vergütung nach § 73 Abs. 1 InsO, § 17 Abs. 1 InsVV eine Aufwandsentschädigung darstellt. Die Dauer des Insolvenzverfahrens und der zeitliche Gesamtumfang der Tätigkeit sind hingegen grundsätzlich kein Kriterium für die Bemessung des Stundensatzes, weil dem bereits durch den Zeitaufwand Rechnung getragen wird. Ebenso wenig ist für den Stundensatz erheblich, dass die Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses nicht verpflichtend ist. Auch die allgemeinen Haftungsrisiken beeinflussen den Stundensatz nicht. Insoweit ist das Mitglied bereits dadurch geschützt, dass die Kosten einer angemessenen Haftpflichtversicherung der Masse zur Last fallen.
Die Höhe des Stundensatzes ergibt sich in erster Linie aus § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV. Sie beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde für Insolvenzverfahren, die ab Anfang 2021 beantragt worden sind, so dass sich für Normalverfahren ein durchschnittlicher Stundensatz von 175 Euro ergibt. Das Gericht darf den vom Verordnungsgeber in § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV für den Stundensatz vorgegebenen Rahmen bis zu 300 Euro je Stunde nur überschreiten, wenn der Umfang der Tätigkeit von den bei einem Insolvenzverfahren, in dem üblicherweise ein Gläubigerausschuss eingesetzt wird, regelmäßig zu erwartenden Umständen abweicht. Maßgeblich ist, ob die für die Bemessung des Stundensatzes erheblichen Umstände bei einer Gesamtwürdigung des Umfangs der Tätigkeit dazu führen, dass der von § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV festgelegte obere Stundensatz auch unter Berücksichtigung des Charakters als Entschädigung für einen Zeitaufwand offensichtlich keine angemessene Vergütung mehr gewährleistet. Umfang und Schwierigkeiten eines Verfahrens müssen dabei nicht außergewöhnlich oder außerordentlich sein, um den im Rahmen aus Satz 1 vorgesehenen Höchstsatz zu übersteigen. Die Rechtsprechung des BGH bezieht sich dabei allerdings noch auf die früher geltenden Stundensätze von lediglich 35 bis 95 €, die durch eine Neufassung des § 17 InsVV für Verfahrenseingänge ab Anfang 2021 erheblich erhöht worden sind auf 50 bis 300 €.
Soweit es die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen, ist das Gericht befugt, den Stundensatz für die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses unterschiedlich zu bestimmen. Besondere Umstände, die eine unterschiedliche Höhe des Stundensatzes rechtfertigen können, sind insbesondere die Qualifikation und Sachkunde des jeweiligen Ausschussmitglieds. Zudem ist zu berücksichtigen, ob das Mitglied durch die Dauer oder die Häufigkeit seiner Inanspruchnahme andernfalls einen nicht zumutbaren Erwerbsverlust erleiden würde, etwa wenn die zeitliche Inanspruchnahme über einen längeren Zeitraum einen erheblichen Anteil der insgesamt verfügbaren wöchentlichen Arbeitszeit ausmacht. Schließlich kann das Gericht bei der Bemessung des Stundensatzes berücksichtigen, dass das Mitglied des Gläubigerausschusses kein Gläubiger ist und daher gemäß § 67 Abs. 3 InsO zum Mitglied bestellt worden ist. In diesem Fall fehlt es an einer Tätigkeit im Eigeninteresse der Gläubigergemeinschaft. Ist ein Nichtgläubiger Mitglied des Gläubigerausschusses, ist für den Stundensatz zu prüfen, inwieweit das Mitglied gerade wegen seiner besonderen Qualifikation und Kenntnisse bestellt worden ist. In diesem Fall kann das Insolvenzgericht einen an marktüblichen Bedingungen orientierten Stundensatz festsetzen, der dem Umfang der Tätigkeit entspricht, soweit die Tätigkeit des Mitglieds zu seiner Berufsausübung gehört.
Hinsichtlich der Stundenzahl kommt es auf die tatsächlich geleisteten Stunden an. Vergütungsfähig sind nur jene Stunden und Tätigkeiten, die innerhalb des Aufgabengebiets des Gläubigerausschusses geleistet wurden. Dies sind alle Zeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit im Gläubigerausschuss stehen. Eingeschlossen sind z.B. das Aktenstudium, Recherchearbeiten, die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen und Prüfung von Rechnungen und Bilanzen des Verwalters, notwendige Fahrt- bzw. Reise- und Telefonzeiten, wobei lediglich erkennbar überflüssige und unnötige Tätigkeiten nicht vergütungsfähig sind (Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Aufl. 2022, § 73 InsO, Rn. 2 und § 17 InsVV, Rn. 18 f.)

III.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze berechnet sich die Vergütung für die Tätigkeit im vorläufigen und endgültigen Gläubigerausschuss im eingangs genannten Rahmen wie folgt:
1.
Der Stundensatz ist auf 280 € festzusetzen. Bei der Höhe des Stundensatzes war zunächst der größere Umfang des vorliegenden Schwellenwertverfahrens im Vergleich zu einem Normalverfahren mit Gläubigerausschuss zu berücksichtigen, sowie die Betriebsfortführung über einen Zeitraum von neun Monaten bei schwieriger Marktlage und zunächst nicht erreichten Umsatzzielen sowie die zeitgleich erfolgenden umfassenden Sanierungsbemühungen nebst Durchführung eines weltweiten Investorenprozesses. Allerdings haben von den von der Unternehmensberatung Roland Berger angesprochenen 168 möglichen Interessenten nur 37 die verlangte Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und nach 7 “indikativen Angeboten” hatten nur 2 mögliche Investoren ein ernsthaftes Interesse gezeigt, so dass mit ihnen verhandelt wurde, ohne dass dies jedoch zu einem konkreten annahmefähigen Angebot geführt hatte (Bl. 972 d.A.). In der lediglich 40 minütigen Videokonferenz wurde am 20.07.2022 das ernüchternde Ergebnis des M&A-Prozesses dargestellt, nämlich dass eine Firma “Palermo” kein Interesse mehr habe und die Verhandlungen mit zwei weiteren Interessenten (“Novum” und “RCP”) nicht zu einem “realisierbaren” Angebot geführt hätten, so dass “alternative Sanierungsszenarien” erörtert werden mussten.
Sonstige Erschwernisse der Arbeit des Gläubigerausschusses bestanden nicht. Insbesondere lagen keine der für die Schwierigkeit eines Verfahrens anerkannten Kriterien wie komplexe Konzernstrukturen, komplizierte und vielschichtige Gläubigerstrukturen oder zahlreiche ausländische Beteiligungen vor (Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, a.a.O., § 17 InsVV, Rn. 51). Aufgrund es unkomplizierten Verlaufs waren auch nur 4 Ausschusssitzungen innerhalb der gesamten Verfahrens notwendig.
Der vorläufige und endgültige Gläubigerausschuss haben insoweit bei einer Präsenz- und drei Videositzungen und in Form von Korrespondenz bei der Überwachung der Fortführung des Geschäftsbetriebes und der Liquiditäts- und Ertragsplanung mitgewirkt, die in Form eines regelmäßigen “Reportings” dem Gläubigerausschuss zur Verfügung gestellt wurde. Zudem wurden die “Business”- und Restrukturierungsplanung der Eigenverwaltung, die Kassenprüfung sowie der umfangreiche aber letztlich erfolglose M&A Prozess begleitet und überwacht und der schließlich der vom Sachwalter vorgelegte Insolvenzplan und die Verwertungsalternativen analysiert und bewertet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Protokolle zu den Gläubigerausschusssitzungen im entsprechenden Sonderband Bezug genommen.
Die Sparkasse Aachen wurde durch Rechtsanwalt Dr. Kruth im Gläubigerausschuss vertreten, wobei es aufgrund der vorgenannten Umstände objektiv erforderlich war, sich durch eine besonders qualifizierte und sachkundige Person vertreten zu lassen. Dies trifft auf Rechtsanwalt Dr. Kruth zu, der Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht ist, über eine fast 20-jährige Erfahrung mit Spezialisierung im Insolvenz- und Sanierungsrecht verfügt und regelmäßig als Restrukturierungsvollmächtiger Unternehmen in Eigenverwaltungsverfahren begleitet. Er wird zudem seit Jahren von verschiedenen Insolvenzgerichten in Nordrhein-Westfalen, u.a. dem AG Aachen, als Insolvenzverwalter und Sachwalter bestellt, so dass er über eine besondere Expertise in sämtlichen Fragen des Konzern-, Sanierungs-, Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanrechts verfügt und eine Reihe von Gläubigerausschüssen in verschiedener Funktionen begleitet hat. Diese besondere Expertise und Erfahrung hat auch (positive) Auswirkungen auf den (geringeren) Umfang der Stunden, die für eine fundierte Analyse der Daten und Unterlagen des Unternehmens inklusive des vom Sachwalter vorgelegten Insolvenzplans aufgewandt werden musste.
Unter Berücksichtigung des deutlich überdurchschnittlichen Umfanges der Tätigkeit des (vorläufigen) Gläubigerausschusses im vorliegenden Schwellenwertverfahren und der besonders guten fachlichen Qualifikation des die Gläubigerin vertretenden Rechtsanwaltes Dr. Kruth erscheint eine am oberen Ende des Vergütungsrahmens angesetzte Vergütung von 280 € pro Stunde angemessen, aber auch ausreichend. Denn bei einer Gesamtwürdigung des Umfangs der Tätigkeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der von § 17 Abs. 1 S. 1 InsVV festgelegte obere Stundensatz unter Berücksichtigung seines Charakters als Entschädigung für den hier vergleichsweise überschaubaren Zeitaufwand offensichtlich keine angemessene Vergütung mehr darstellt.
2.
Der Zeitaufwand für eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben eines vorläufigen Gläubigerausschussmitgliedes ist in der dem Antrag beigefügten Stundenaufstellung zutreffend und nachvollziehbar angegeben worden. Insgesamt ergibt sich danach ein Zeitaufwand für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren von XXXXXXX EUR und für das (Haupt-)Eigenverwaltungsverfahren von XXXXXX EUR. Zusätzlich war gemäß §§ 7, 18 Abs. 2 InsVV die auf die beantragte Vergütung (und Auslagen) entfallende gesetzliche Umsatzsteuer von derzeit 19 % festzusetzen.

Zusatz:
Der vollständige Beschluss kann in der Geschäftsstelle angesehen werden.
91 IN 15/22
Amtsgericht Aachen, 13.12.2022