Teccom Pharma GmbH

Amtsgericht
Hildesheim
Beschluss

50 IN 66/20
28.12.2022

In dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen der
Teccom Pharma GmbH, Ulrich-Wolter-Str. 1, 31157 Sarstedt (AG Hildesheim, HRB 3420),
vertreten durch:
Marc Wolter, Haderslebener Str. 51 c, 25980 Westerland, (Geschäftsführer),
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte anchor Rechtsanwälte, Bismarckstr. 13, 31135 Hildesheim,

wird der Erinnerung vom 31.05.2021 gegen den Beschluss vom 17.05.2021 aus den nachfolgend genannten Gründen teilweise abgeholfen.
Im Übrigen wird die Akte dem zuständigen Richter/in zur Entscheidung über die Erinnerung vorgelegt.
Die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters wird wie folgt neu festgesetzt.

EUR Regelvergütung nach § 63 Abs.3 InsO
EUR um 130 % erhöht zuzüglich
EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16%
EUR Auslagen zzgl.
EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %
EUR Gesamtbetrag

Der vorläufige Insolvenzverwalter wird aufgefordert die bereits entnommene Vergütung in Höhe der Differenz von EUR umgehend an die Masse zurück zu erstatten.
Gründe:
Mit Beschluss vom 19.01.2022 wurde die Angelegenheit zur Entscheidung über die Erinnerung an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Insoweit werden zur Zulässigkeit des Rechtsmittels und insbesondere zum Beschwerderecht des Beschwerdeführers keine weiteren Ausführungen für erforderlich erachtet.
Soweit der Insolvenzverwalter einwendet, dass Rechtskraft bestünde wird festgestellt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter durch Übersendung der Rechtsmittelschrift in Kenntnis gesetzt wurde.
Des Weiteren wurde er mit Schreiben vom 13.10.2021 über die Rechtsmittelbegründung durch Übersendung derselben in Kenntnis gesetzt und gebeten die Entnahme der Vergütung bis zur Entscheidung zurückzustellen.
Eine versehentlich durch die Serviceeinheit übersandte Rechtskraftbescheinigung ändert nichts daran, dass ihm das Rechtsmittel bekannt war und noch nicht abschließend darüber entschieden wurde.
Eine Abänderung der Vergütung dahingehend, dass der Vergütungsanspruch vollständig zu versagen ist, kommt nach nochmaliger intensiver Prüfung der Sach-und Rechtslage nicht in Betracht.
Die Einbeziehung der Argumente des vorläufigen Insolvenzverwalters und Beschwerdeführers sowie der aktuellen BGH Rechtsprechung führt zur Abänderung der Berechnungsgrundlage wie folgt:
Sofern der Beschwerdeführer anführt, dass die vom vorläufigen Insolvenzverwalter geltend gemachten Anfechtungsansprüche in der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sind, wird sich nach erneuter intensiver Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung des Beschwerdeführers unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH v.7.2.2013 IX ZB 286/11) angeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entstehen Anfechtungsansprüche erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und sind daher nicht Gegenstand der Berechnungsgrundlage des vorläufigen Insolvenzverwalters. Siehe dazu vorgenannte BGH Entscheidung Rdnr.12.
Erst der endgültige Insolvenzverwalter kann diese geltend machen und als Wert in die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung mit aufnehmen.
Insoweit hilft das Insolvenzgericht der Erinnerung ab und kürzt die Berechnungsgründe um folgende Beträge:
– Ansprüche aus Insolvenzanfechtung kongruente Deckung – €
– Ansprüche aus Insolvenzanfechtung inkongruente Deckung – €
– Ansprüche Insolvenzanfechtung § 133 InsO – €
– Ansprüche Insolvenzanfechtung § 134 InsO – €
– Ansprüche aus Insolvenzanfechtung § 135 InsO – €
Mithin insgesamt um €

Gleiches gilt für den Komplex “verdeckter” bzw. “antizipierter” Anfechtungsansprüche.
Hierbei handelt es sich ebenfalls um Ansprüche die erst mit der Eröffnung des Verfahrens entstehen.
Aus diesem Grund wird hier auch abgeholfen und die Berechnungsgrundlage hinsichtlich eines weiteren Betrages in Höhe von € reduziert.

Die Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ansprüche aus § 64 GmbHG überzeugen hingegen nicht.
§ 11 InsVV gilt seit 2013 unverändert und unterbindet nach hiesiger Auffassung nicht die Aufnahme der Ansprüche nach § 64 GmbHG in die Berechnungsgrundlage.
Der BGH hat das mit seiner Entscheidung vom 23.09.2017 (IX ZB 204/09) eindeutig bestätigt.
Des Weiteren hilft das Insolvenzgericht bezüglich der nachlaufenden Einnahmen/Ausgaben aus der Betriebsfortführung ab und reduziert die Berechnungsgrundlage um weitere € sowie € (Einnahmen und Ausgaben).
In seinem Gutachten vom 27.11.2020 Seite 18, stellt der vorläufige Insolvenzverwalter fest, dass aufgrund der hohen betrieblichen Aufwendungen ein Verlust aus der Betriebsfortführung bestand.
Da bei Betriebsfortführung gem. §§ 10, 1Abs. 2 Nr.4 S.2 InsVV lit.b) nur ein Überschuss in die Berechnungsgrundlage einfließen kann, war hier abzuhelfen.
Hinsichtlich der Warenvorräte überzeugen die Einwendungen des Beschwerdeführers ebenfalls nicht.
Entgegen der Beschwerdeschrift hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter nicht der Unterstützung Dritter bedient.
Zudem waren die Vorräte nicht mit Drittrechten belastet. Für eine Abhilfe besteht daher kein Raum.
Eine Abhilfe ist auch bezüglich des PKW Ferrari nicht angezeigt.
§ 11 Abs. 1 S.2 InsVV bezieht auch Vermögensgegenstände an denen Absonderungsrechte bestehen in die Berechnungsgrundlage ein unter der Voraussetzung, dass sich der vorläufige Insolvenzverwalter damit in erheblichem Umfang befasst hat.
Die erhebliche Befassung hat der vorläufige Insolvenzverwalter in seinem Vergütungsantrag hinreichend dargelegt.
Auch in Bezug auf die Umsatzsteuer überzeugen die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht.
Grundsätzlich darf bei der Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf Umstände abgestellt werden, die sich nach Beendigung des Eröffnungsverfahrens ergeben haben; denn die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters ist aus sich selbst heraus zu bewerten BGH v. 16.11.2006 – IX ZB 302/05.
Entscheidend ist deshalb der objektive Wert des Vermögens des Schuldners im Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters (BGHZ 146, 165 [175] = NJW 2001, 1496 = NZI 2001, 191).
Der Betrag, den der (endgültige) Insolvenzverwalter bei der späteren Veräußerung von Vermögenswerten erzielen kann, ist hierfür ein gewichtiges Indiz.
Es ist daher nicht darauf abzustellen wann die Umsatzsteuer entsteht, sondern auf den jeweiligen Brutto-Wert inklusive der Umsatzsteuer bezogen auf die Vermögenswerte mit denen sich der vorläufige Insolvenzverwalter während seiner Tätigkeit beschäftigt hat. Siehe auch Graeber/Graeber 2. Auflage 2016 Rdnr.13 zu
§ 11 InsVV. Eine Abhilfe scheidet daher aus den vorgenannten Gründen aus.

Zu den Zuschlägen:
Unvollständige Buchführung
Der dem vorläufigen Insolvenzverwalter entstandene Mehraufwand durch das Vorfinden einer unvollständigen Buchhaltung hat dieser in seinem Antrag ausführlich dargelegt. Die Einwendungen des Erinnerungsführers wurden geprüft, diese führen jedoch zu keiner anderen Ansicht. Insbesondere führte die Einschaltung des externen Buchhalters nicht zu solch einer wesentlichen Entlastung des vorläufigen Insolvenzverwalters, welches eine Minderung der Zuschlagshöhe rechtfertigen würde. Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass die Aufarbeitung der Buchführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Hilfe von mehreren Mitarbeitern erfolgt ist. Ein Zuschlag in Höhe von 25 % erscheint somit angemessen.
Betriebsfortführung
Auch hinsichtlich des gewährten Zuschlags für die Betriebsfortführung kommt es unter Berücksichtigung der Einwendungen des Erinnerungsführers zu keiner abändernden Entscheidung. Die erfolgte Fortführung des Unternehmens ist zuschlagsfähig. Die Ausführungen des Erinnerungsführers bezüglich der behaupteten Beauftragung der Insolvenzverwaltung GmbH & Co.KG durch den vorläufigen Insolvenzverwalter tritt der vorläufige Insolvenzverwalter entgegen.
Nach Aktenlage ist eine Delegierung nicht ersichtlich und somit ein Zuschlag nicht zu beanstanden.
Die vom Verwalter in seinem Antrag vom 25.01.2021 dargestellten Erschwernisse lassen nach Ansicht des Gerichts keine andere Entscheidung zu. Auch ist die Höhe mit 25 % nicht zu beanstanden und in der Rechtsprechung üblich.
Komplexe Kernstruktur
Neben der Schuldnerin hat es noch sechs weitere Gesellschaften gegeben, an denen der Alleingesellschafter und – Geschäftsführer der hiesigen Schuldnerin, Herr Marc Wolter direkt oder indirekt beteiligt gewesen ist. Die hieraus entstandenen besonderen Belastungen hat der Insolvenzverwalter in seinem Vergütungsantrag im Einzelnen hinreichend für das Gericht dargelegt. Die erforderlichen rechtlichen Überprüfungen sind durch diesen direkt vorgenommen worden und rechtfertigen den geltend gemachten Zuschlag. Auch die beantragte Höhe ist nicht zu beanstanden.
Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten
Die Einwendungen des Erinnerungsführers haben keinen Erfolg, da die Bestimmung der Berechnungsgrundlage und die Festsetzung von Zuschlägen unabhängig zu betrachten sind. Bei der Höhe des Zuschlags wurde bereits berücksichtigt, dass sich die Berechnungsgrundlage entsprechend erhöhte.

Arbeits – und sozialrechtliche Fragen
Bei dem geltend gemachten Zuschlag für Arbeits- und sozialrechtliche Fragen in Höhe von 15 % sowie 10 % für das beantragte Insolvenzgeld erkennt das Insolvenzgericht weiterhin den Mehraufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters an.
Der Aufwand wurde durch diesen hinreichend dargelegt.
Dieser führte Gespräche mit Mitarbeitern betreffend Urlaub, Abbau von Überstunden und der vorzeitigen Vertragsaufhebung.
Es wurden Mitarbeiterversammlungen durchgeführt.
Des Weiteren war die Zustimmung der Arbeitsagentur zur Insolvenzgeldvorfinanzierung einzuholen und Stellungnahmen zum Stand der Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzugeben, um hier nur einige Tätigkeiten zu nennen.
Die vorgenannten Tätigkeiten sind nicht mit dem Zuschlag der Betriebsfortführung abgegolten.
Die durch den Beschwerdeführer geäußerten Einwendungen überzeugen hier nicht.
Der Zuschlag ist zu gewähren.
Nachfolgelösung
Nach Auffassung des Gerichts war es im vorliegenden Fall sachgerecht, dass sich der “starke vorläufige Insolvenzverwalter” frühzeitig um eine Nachfolgelösung bemüht hat.
Nach erneuter Prüfung im Rahmen des Erinnerungsverfahrens wird es jedoch als sachgerecht erachtet den Zuschlag auf 15 % zu reduzieren, da wesentliche Aufgaben vom einem extern Dienstleister auf Rechnung der Masse durchgeführt wurden. Insoweit wird der Erinnerung teilweise abgeholfen.
Strafverfahren
Der Zuschlag für die geleistete Sondertätigkeit wurde im Rahmen des Erinnerungsverfahren eingehend untersucht.
Es wird sich teilweise dem Erinnerungsführer dahingehend angeschlossen, dass die hauptsächliche Ermittlungsarbeit von der Strafverfolgungsbehörde übernommen und durchgeführt wird.
Für die geleistete Vorermittlung und Unterstützung der Staatsanwaltschaft wird der Erinnerung abgeholfen und ein Zuschlag in Höhe von 15 % anerkannt.
Gläubigerausschuss
Die Ausführungen des Erinnerungsführers hinsichtlich des Gläubigerausschusses überzeugen.
Durch das Vorhandensein eines Gläubigerausschusses ist der Insolvenzverwalter zwar durch Abstimmungen und Besprechungen zeitlich mehr beansprucht, jedoch unterstützt dieser gem. § 69 Abs. 1 InsO den vorläufigen Insolvenzverwalter bei seiner Tätigkeit.
Ein Zuschlag ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss als intensiv anzusehen wäre. Siehe Graeber/Graeber 2. Auflage 2016 Rdnr. 185 zu § 3 InsVV.
Etwaige Mehrbelastungen müssen ganz konkret vorgetragen werden.
Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens erläuterte der Insolvenzverwalter nochmals ausführlich den konkreten Mehraufwand.
In Abwägung der unterstützenden Funktion des Ausschusses mit der zeitlichen und organisatorischen Mehrbelastung des vorläufigen Verwalters wird der Erinnerung teilweise abgeholfen und ein Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen erachtet.

Nominalabzüge
Die Verhältnismäßigkeit der Beauftragung externer Hilfskräfte durch den Verwalter hat das Insolvenzgericht geprüft.
Unter anderem waren das von der Schuldnerin genutzte Warenwirtschaftssystem und die Finanzbuchhaltung zu überprüfen.
Im Rahmen der Sanierungsbemühungen hat der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses einen strukturierten Investorenprozess durchgeführt und sich dazu unter anderem eines externen M&A Beraters bedient.
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, frühzeitig vorbereitende Maßnahmen zu ergreifen, weil hiervon regelmäßig die Möglichkeit einer übertragenden Sanierung und der daraus für die Masse zu erzielende Verwertungserlös abhängt.
Hierzu kann auch gehören, einen geeigneten Dienstleister mit der Unternehmensberatung und Begleitung des Veräußerungsprozesses zu beauftragen
BGH, Urt. Vom 12.3.2020 -IX ZR 125/17, Rn.45
Hinsichtlich des Vertragsgegenstandes “Steuervorprüfung” betreffend die Beauftragung der Gehrke Econ Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat der vorläufige Insolvenzverwalter klargestellt, dass es sich um einen Schreibfehler gehandelt hat. Der tatsächliche Betreff in der Rechnung vom 24.11.2020 lautet “Teccom Pharma GmbH – Vorprüfung 2020”.
Die Beauftragung sämtlicher vom vorläufigen Insolvenzverwalter beauftragten Dienstleister waren nach Auffassung des Gerichts zulässig.
Danach ergibt sich eine reduzierte neue Berechnungsmasse in Höhe von EUR. Die Vergütung war demnach entsprechend anzupassen.

Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen bei dem Amtsgericht Hildesheim, Kaiserstr. 60, 31134 Hildesheim einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die Beschwerde kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem o. g. Gericht eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem o. g. Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen

Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen. Die Beschwerde soll begründet werden.

Amtsgericht Hildesheim, 28.12.2022