Constructum officina GmbH nunmher: Neo Constructum officina GmbH

46 IN 2/18: In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Constructum officina GmbH nunmehr: Neo Constructum officina GmbH, Werkstr. 13, 21218 Seevetal (AG Lüneburg, HRB 205702), sind die Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Henning Sämisch festgesetzt worden. Gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 InsO sind die festgesetzten Beträge nicht zu veröffentlichen. Der vollständige Beschluss kann in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Lüneburg eingesehen werden. Die Festsetzung wird wie folgt bekannt gemacht:

EUR
Nettovergütung gemäß InsVV

EUR
um 100 % erhöht zuzüglich

EUR
Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %

EUR
Auslagen zuzüglich

EUR
Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %

EUR
abzüglich Vorschuss

EUR
Gesamtbetrag
Dem Insolvenzverwalter wird gestattet, den festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :
Mit Schriftsatz vom 12.12.2022 beantragte der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung und Auslagen.
I.
Die Vergütung ist gemäß § 1 Abs. 1 InsVV nach dem Wert der Insolvenzmasse zu berechnen, auf die sich die Schlussrechnung bezieht.
Diese beträgt 307.428,95 EUR.
II.
Ausgehend von dieser Berechnungsmasse ergibt sich gemäß § 2 Abs. 1 InsVV eine Regelvergütung in Höhe von EUR.
III.
Der Insolvenzverwalter macht daneben Zuschläge von insgesamt 175 % der Regelvergütung (reduziert in der Gesamtschau auf 165 %) für die Betriebsfortführung (25 %), die Aufarbeitung der Buchhaltung mit ungeordnetem Belegwesen für einen Zeitraum von fast drei Jahren (20 %), die lange Verfahrensdauer (40 %) und die Sanierung/übertragende Sanierung/Betriebsveräußerung (90 %) geltend.
Es wird insofern auf die Ausführungen im Vergütungsantrag vom 12.12.2022 Bezug genommen.
Im Einzelnen:
Für den Mehraufwand im Rahmen der Betriebsfortführung entsteht ein Zuschlag nach § 3 Abs. 1 lit. b) InsVV, wenn die Masse durch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters in diesem Zusammenhang nicht entsprechend größer geworden ist. Nach den Angaben des Insolvenzverwalters und der Schlussrechnung wurde kein positives Betriebsergebnis erwirtschaftet, so dass sich die Regelvergütung hierdurch nicht entsprechend erhöht hat und somit eine Vergleichsberechnung entfällt. Ein Zuschlag ist somit vorliegend zu gewähren.

Zwar gehört es zu den in jedem Insolvenzverfahren als Regelaufgabe anfallenden Tätigkeiten des Insolvenzverwalters, die Buchhaltung des schuldnerischen Betriebes zu sichten und daraus erkennbare Ansprüche zu ermitteln und durchzusetzen. Eine unvollständige oder unzureichende Buchhaltung – wie sie allerdings dem normalen Erscheinungsbild fast jeden insolventen Unternehmens/Selbständigen entsprechen dürfte – kann jedoch einen Zuschlag rechtfertigen, wenn nicht lediglich kleinere Mängel vorliegen. Dies ist vorliegend der Fall.
Die schuldnerischen Unterlagen waren geprägt von Loseblattsammlungen in Waschkörben und nicht den Vorschriften einer ordnungsgemäßen Buchhaltung entsprechend in 6 Kisten verpackt. Insbesondere im Hinblick auf den Abgleich mit dem Bestand von offenen Forderungen, die Anfechtungsermittlung und -verfolgung und vor dem Hintergrund, dass es sich schon um das dritte Insolvenzverfahren handelte, der Insolvenzverwalter mehrfach als Zeuge in Strafverfahren aussagen musste und die entsprechenden Einblicke in die Buchhaltung erforderlich waren, musste diese für einen Zeitraum von fast drei Jahren (letzter Abschluss 2015) aufgearbeitet werden.
Ein angemessener Zuschlag ist daher hier zu gewähren, die Überschneidung mit der weiteren Ermittlung von Anfechtungsansprüchen – als Erhöhungstatbestand vorliegend nicht geltend gemacht – wurde von dem Insolvenzverwalter berücksichtigend miteinbezogen.

Eine überlange Verfahrensdauer rechtfertigt als solche keinen Zuschlag. Sie kann einen Zuschlag rechtfertigen, wenn dadurch der Verwalter stärker als in Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen worden ist (BGH, Beschl. v. 11.05.2006 aaO S. 1207 Rn. 42; S. 1205 Rn. 12) bzw. eine Gewährung kann nur wegen der in dieser Zeit von ihm erbrachten Tätigkeiten erfolgen (BGH, Beschluss vom 16.09.2010 – IX ZB 154/09).
Unter Berücksichtigung der dargestellten Umstände im Vergütungsantrag und des Akteninhalts ist hier ein Zuschlag zu gewähren

Weiterhin trägt der Insolvenzverwalter – gestützt durch den Akteninhalt – vor, sich um den Erhalt des Betriebes und der Arbeitsplätze im Wege der übertragenden Sanierung bemüht zu haben, was letztlich erfolgreich zu einer Betriebsveräußerung geführt hat. Dies rechtfertigt unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Verhandlungsführung und der Tatsache, dass das Unternehmen bereits zweimal vorher gescheitert war, grundsätzlich einen Zuschlag.
Eine Übertragung des schuldnerischen Unternehmens als Bestandteil der Verwertungsaufgabe des Insolvenzverwalters kann mit einem erheblichen Mehraufwand des Insolvenzverwalters verbunden sein. Dieser ist insbesondere unter Berücksichtigung der evtl. ganz oder teilweise entfallenden Verwertungstätigkeiten im Übrigen durch den Insolvenzverwalter nachvollziehbar darzustellen und die entsprechende Entlastung des Insolvenzverwalters von Verwertungstätigkeiten ist bei der Bemessung des angemessenen Zuschlags zu berücksichtigen.
Dieser Zuschlag ist aus den konkreten Umständen des Einzelfalls heraus zu bestimmen. Allein eine Betriebsveräußerung im eröffneten Verfahren rechtfertigt nicht automatisch einen Zuschlag, sondern nur dann, wenn hierdurch ein erheblicher Mehraufwand gegenüber einem sog. normalen Verfahren eingetreten ist (Graeber/Graeber, Kommentar zur InsVV, 4. Aufl. 2022, § 3 Rn. 183).

Zur Begründung von Abschlägen ist im hiesigen Verfahren darzulegen, dass sich der Insolvenzverwalter neben seiner Regelaufgabe vorliegend eines externen Dienstleisters bzw. Rechtsanwaltes zur Ermittlung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen bedient hat und die Masse mit den dafür entstandenen Kosten belastet wurde. Insofern ist hier ein zumindest teilweiser Abschlag zu berücksichtigen.
Weiterhin ist hier der Tatbestand des§ 3 Abs. 2 lit. a) InsVV erfüllt, die Tätigkeit eines personenidentischen vorläufigen Insolvenzverwalters rechtfertigt regelmäßig einen Abschlag auf die Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters (BGH, Beschluss vom 11.05.2006 – IX ZB 249/04).
Wegen der bereits erfolgten bzw. als gegeben anzunehmenden Einarbeitung des Verwalters für viele Verfahrensfragen ist daher ein Abschlag in Abzug zu bringen.

Isolierte Feststellungen zur Zu- oder Abschlagsfähigkeit jedes einzelnen in Betracht kommenden Zu- oder Abschlagstatbestandes sind nicht erforderlich, vielmehr hat eine wertende Gesamtwürdigung zu erfolgen, um den Gesamtzuschlag festzusetzen (BGH NZI 2010, 64 Rn. 9 m. w. N.). Entscheidend ist somit die Gesamtabwägung bei der Bemessung eines angemessenen Gesamtzuschlags, um eine doppelte Berücksichtigung von Umständen zu vermeiden und sich aus Einzelzuschlägen ergebenden Überschneidungen Rechnung tragen zu können (BGH, Beschluss vom 10.06.2021 – IX ZB 51/19).
In der Gesamtbetrachtung und im Hinblick auf die dargestellten Umstände wird ein Zuschlag von insgesamt 100 % als angemessen angesehen.
IV.
Die Festsetzung der Auslagen ergibt sich aus § 8 Abs. 3 InsVV.
Die Erstattung der Umsatzsteuer auf die Vergütung und Auslagen ergibt sich aus § 7 InsVV.
Der vollständige Beschluss kann in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden.
Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, soweit der Beschwerdegegenstand 200,00 EUR übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann sie mit der befristeten Erinnerung angefochten werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtspfleger getroffen wurde. Beschwerde- bzw. erinnerungsberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die sofortige Beschwerde und die befristete Erinnerung sind innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Lüneburg,-Insolvenzgericht-, Am Ochsenmarkt 3, 21335 Lüneburg einzulegen. Die befristete Erinnerung ist bei dem Amtsgericht Lüneburg,-Insolvenzgericht-, Am Ochsenmarkt 3, 21335 Lüneburg einzulegen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bzw. Erinnerungsschrift eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer bzw. Erinnerungsführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde bzw. Erinnerung muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde bzw. Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Die Beschwerde bzw. Erinnerung soll begründet werden.
Amtsgericht Lüneburg, 28.02.2023